38
Australien ist auch kein Ziel für unsere deutschen
Auswanderer, denen besonders daran liegt, sich mit
geringen Mitteln ein kleines eigenes Besitzthum zu
gründen. Das billigste Land dort, das von der
Regierung abgegeben wird, kostet ein Pfund Ster
ling, nicht ganz 7 Thaler der Acker, und für den
Preis sind nur große Strecken zu haben. Wo
das Land irgend etwas werth ist, wird es auf das
Vier-, Sechs- und Zehnfache hinaufgeschraubt, und
der Deutsche bezahlt dort für ein paar Acker sehr
mittelmäßigen und wasserarmen Boden den nämlichen
Preis , wofür er in irgend einem Theile des südlichen
Amerikas eine schöne fruchtbare Besitzung kaufen könnte
— das noch gar nicht gerechnet, daß er in Australien
am anderen Ende der Welt sitzt und wenigstens fünf
Monate gebraucht, nur um an Ort und Stelle zu
kommen.
Wer auswandern will, mag sich irgend einen
Staat im südlichen Theile von Südamerika aussuchen,
Chile, La Plata, Uruguay, Süd-Brasilien, ja selbst
die Hochebenen von Jbarra und Quito in Ecuador
würde ich für meine Person Australien vorziehen.
Aber zehn und zwanzig Mal mögen es sich alle über
legen, ehe sie hier in Deutschland einen Contract
unterzeichnen, der sie irgend einem Pflanzer in Bra
silien als Arbeiter überliefert.
Das rechte Recht.
Es hat einmal ein armes Bauernweib den Chur
fürsten Johann von Sachsen um »das rechte
Recht» gebeten. Summum jus, summa injuria,
sagt der Lateiner; zu Deutsch: »das größte Recht,
das größte Unrecht.« Doch kehrt sich's auch wohl
UM: summa injuria, summum jus, das größte
Unrecht, das größte Recht. Und der Leser wolle
einmal anhören, wie Jemandem sein Recht geschehen
auf unrechte Weise.
Am 31. December 1817 ging ein tüchtiger
Bauersmann Abends spät aus der Stadt zurück auf
seinen Meierhof. Er hatte eben in der Stadt
abgerechnet und bezahlt, was der Kaufmann zu
fordern hatte, dessen Kunde er war. Denn ein
guter Bauer scheut nichts mehr als Schulden, hält
sich besonders gern die sogenannten Klapperschulden
vom Leibe und das Sprüchwort in Ehren: Wer
seine Schulden bezahlt, bessert sein Gut.
Und obgleich zwischen Anno 1817 und 1848 noch
ein gutes Weilchen lag und der Bauer also noch
nicht mit einem fremden Jagdrechte beschenkt war,
trug er doch Doppelgewehr, Holster und Schrotbeutel,
und ein schöner Hühnerhund schritt in munteren
Sprüngen vorauf, denn er besaß eigene Jagd. Neben
ihm aber ging ein Knäblein, das die Feiertage aus
dem Lande zubringen durfte und den braven Schulzen
allezeit, auch noch jetzt, in hohen Ehren gehalten hat
und hält.
Es war eine kalte, schneidend kalte Nacht; droben
funkelten die Sterne so klar, als haftete noch etwas
von der »Klarheit Gottes» aus der Weihnacht an
ihnen, unter den Füßen der Wanderer knisterte der
Schnee in scharfen Tönen. Von den Thürmen rings
umher schallte das Festgeläute durch die Nacht.
Der alte Schulze hatte seine Freude am Geläute,
und das Knäblein nicht minder. »Hörst du,« sprach
Jener, »die Stadtglocken kann man kaum mehr ver
stehen, dafür kommen neue Glocken dazu, je mehr
wir uns den Dörfern nähern. Die groben dort
hinten her sind die von St. Reinoldi in Dortmund;
von rechts her sind's die aus dem schiefen Thurme
zu Kamen, links rufen die von Opherdicke in's
Sauerland hinüber, von wo andere ihnen antworten.
Ei, ei, wie laut sprechen die odemlosen, todten
Metalle zu uns: „Alles, was Odem hat, lobe den
Herrn!« Siehe die Sterne an und gedenke, was
der heilige König David gesagt hat: »Die Himmel
erzählen die Ehre Gottes, und die Veste verkündigt
seiner Hände Werk.« »Ein Tag sagt es dein
Andern, und eine Nacht thut es kund der Andern."
»Es ist keine Sprache, noch Rede, da man nicht
ihre Stimme höre.«
Wie gesagt, es war eine kalte Nacht, hie und
da krachte auf einem Weiher das Eis, oder es
donnerte im Walde, wenn ein Baum zerfroren aus- >
einanderriß: aber dennoch wurde es Einem bald
warm, also, daß ihm der Schweiß auf die Stirne
trat. Denn des Schulzen Hund schlug plötzlich an.
Der Eigenthümer hieß leise den Knaben stehen bleiben
und sein warten, nahm das Gewehr und schritt dem
Hunde nach. »Bleibt stehen und Euch geschieht kein
Leid!« rief der Bauer plötzlich einen: hinwegeilenden
Menschen nach, und zugleich hatte diesen der Hund
erreicht und zeigte bellend sein scharfes Gebiß. Der
Mann stand stille, und der Bauer vor ihm. „Ihr'
seid in meinem Walde am Holzstehlen? Wißt Ihr
nicht, daß es Sylvester ist, und hört Ihr die
Glocken nicht? Wie könnet Ihr das alte Jahr mit
einem Diebstahl beschließen und wie zu Neujahr Euch
am gestohlenen Holze wärmen wollen? Wißt Ihr 1
nicht, daß das erste Gewitter im Frühjahre Euch