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begann, gekostet hätte? In zwei Jahren viele tausend
Thaler. Nun hatten die Kirschen des Königs dafür
aber auch Ruhe? Bewahr' mich Gott, jetzt erst
recht nicht! Bald gab es zwar keine Sperlinge, aber
auch keine Kirschen mehr, und eben sowenig anderes
Obst. Und auf den Bäumen war keine Spur von
Laub mehr zu sehen, kahl und entblättert standen
sie da; denn statt der Sperlinge hatten sich andere
Gäste eingefunden — gierige und gefräßige Raupen —
die kein grünes Spitzchen übrig ließen. Da erst sah
der König ein, daß der Spatz seinen süßen Nachtisch
nicht umsonst gehabt, daß er mit ihm vielmehr seine
Jusektenspeise geschmelzt und gewürzt hatte. Das
war unserm treuen Hausfreund aber um so mehr zu
gönnen, als andere Vögel diesen Appetit nach In
sekten nicht in dem Maße mit ihm theilen, daß sie
seine Stelle hätten vertreten können. Der König
widerrief zwar seinen Befehl, aber damit war das
zweite Uebel nicht kurirt. Um das nöthige Gleich
gewicht zwischen Vogel- und Jnsektenwelt wieder
herzustellen, mußte der König die eben mit so vieler
Lust vertilgte Spatzengattung sogar aus weiter Ferne
wieder herbeischaffen lassen, und das war um so
nothwendiger, als der Sperling zu denjenigen Stand
vögeln gehört, die am liebsten an einem Orte bleiben
und ihre Heimat so leicht nicht wechseln. So hatte
sich hier recht auffallend gezeigt, was es zu bedeuten
habe, wenn der Mensch sich herausnimmt, gewalt
sam in den weisen Haushalt der Schöpfung Gottes
einzugreifen.
Vor vielen Jahren hatte man auch in unserm
Lande einen Preis auf das Wegfangen und Tödten
der Sperlinge gesetzt, damit die Gärten und Weizen
äcker vor diesen Näschern und Dieben sicher wären.
Aber gar bald erkannte man auch bei uns, daß das
Spatzenköpfen nicht das rechte Mittel dazu sei und
der muntere, lärmende, eine große Eßlust entwickelnde
Vogel den Gärten und Feldern mehr Vortheil, als
Schaden bringe. Darum werdet ihm nicht böse,
wenn er sich des Tags manchmal ein paar Kirschen
oder Weizenkörner holt, oder die frisch gelegten Erbsen
aus der Erde hervorscharrt, wie es namentlich in
diesem Jahr von manchem Gartenbesitzer nicht ohne
Aeger vermerkt worden ist, er bringt es euch in
anderer Weise wieder reichlich ein. Und nur lobend
lst es anzuerkennen, daß aus dem Gebot zu tödten
Ms Verbot geworden ist und die Insekten vertilgenden
Vögel unter den Schutz der Obrigkeit gestellt sind.
Die Wartburg mit ihren Erinnerungen.
Es ist doch ein herrlicher Punkt die Wartburg
in dem Thüringerland. Weit hinaus schweift das
Auge in die gesegnete Landschaft, in welcher Berge
und Thäler, Wälder und Flüsse, Dörfer und Städte,
Fluren und Gärten in reicher Mannigfaltigkeit mit
einander abwechseln, und schwer mag der Blick sich
wegwenden von all dem Schönen und Herrlichen,
das rings bte Burg umgibt. Und dieser Fleck deut
scher Erde wird um so lockender und anziehender,
fesselt unsere Theilnahme um so stärker und gewal
tiger, als viele Erinnerungen an eine große Ver
gangenheit sich an ihn knüpfen. Denn die Wartburg
war einst der Sitz einer blühenden Fürstenfamilie,
der mächtigen Landgrafen von Thüringen, die hoch
angesehen und voll Kraft und Ehre im deutschen
Lande walteten. Auch das Land zu Hessen war in
früher Zeit mehr als hundert Jahre mit Thüringen
vereinigt, bis der Tod des letzten Landgrafen Hein
richs Raspe, des rühm- und kinderlosen Gegen
königs Friedrichs II, im Jahr 1247 diese Verbindung
löste und die Hessen in dem Sohne der Herzogin
Sophie von Brabant, Heinrich dem Kinde, einen
eigenen Fürsten sich wählten. Großes und Hohes
haben die Mauern der Burg gesehen, Glanz und
Reichthum, Ritterpracht und Fürstenherrlichkeit, männ
liche Kraft und Tapferkeit, wie weibliche Anmuth und
Frömmigkeit, und was Kunst und Wissenschaft hebt
und fördert, was ein heiteres, fröhliches Leben wirket
und schafft, das fand in der Fürstenburg Pflege und
Gedeihen. Aber sie waren auch Zeuge von manchem
Jammer und Elend, von menschlicher Schwachheit
und zügelloser Begier, von heißen Thränen und bit
terem Leid. Denn wo gibt es ein vollkommenes
irdisches Leben, wo ein Herz, das des steten Frie
dens sich erfreut und von der Welt sich unbefleckt
erhält, wo ein Licht, das nicht durch dunkles Ge
wölk getrübt wird?
An einem hellen Sommermorgen wanderte ich
einst gemächlich zur Burg hinauf und sah, ohne daß
ich bemerkt wurde, in dem Schatten eines Raines eine
Bäuerin, die ihr Wesen mit zwei Kindern hatte, einem,
wie es schien, lockigen, bausbackigen Knaben, der auf
ihrem Schoße lag, und einem etwas älteren Mädchen,
das neben ihr im Grase mit den Blumen spielte.
Schäkernd neigte sie sich zu dem Krauskopf herab,
daß der mit beiden Füßen zappelte und in herzlichem
Lachen sich schüttelte; dann zog sie das Mädchen zu sich
heran, auf daß auch dieses an dem kleinen Bruder sich