Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

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länder nach Eile, um das Leben des geliebten Königs 
zu schützen. Nur wenige Begleiter sind ihm gefolgt 
und nicht im Stande, mitten in dem feindlichen Haufen 
den edlen Streiter der Todesgefahr zu entreißen. Ein 
kaiserlicher Korporal, so wird erzählt, hatte bemerkt, 
daß dem großen Manne alles ehrerbietig Platz machte, 
und daher einen Musketier mit den Worten am Arm 
gefaßt: »Auf den da schieß, der muß was Vornehmes. 
sein.» Der Schuß fällt und zerschmettert dem König 
das linke Armbein, daß das Blut spritzt und der 
Knochen zersplittert hervortritt. Auch dem Pferd des 
Königs geht in demselben Augenblick eine Kugel durch 
den Hals. Unterdeß sind auch seine Reiter heran 
gekommen, und obwol das Gemurmel durch ihre 
Reihen geht, der König blutet, so will der Ver 
wundete doch nichts merken lassen und ruft: »Es ist 
nichts Kinder, nur frisch vorwärts!« Aber Schmerz 
und Blutverlust setzen ihm so zu, daß er den Herzog 
von Lauenburg, der sich an seiner Seite befand, 
bitten muß, ihn unbemerkt, damit seine Schweden 
nicht enlmuthigt würden, in Sicherheit zu bringen. 
Eine kurze Strecke nur sind sie dem Kampfgewühl 
entronnen, da braust-auf einmal das Kürassier-Regiment 
Götz daher, und in dem Augenblick, wo der König 
sich wendet, hebt ein kaiserlicher Offizier —• von 
Falkenberg soll sein Name sein — seine Feuer 
waffe und schießt dem schon verwundeten Helden eine 
Kugel durch den Rücken. Der König, nicht mehr im 
Stande sich aufrecht zu halten, sinkt vom Pferde, 
bleibt aber im Steigbügel hängen und wird von dem 
wild davon eilenden Renner noch eine Strecke weit fort 
geschleift. Der Herzog verläßt den schwer Getroffenen 
und sucht sein Heil in der Flucht, und auch das übrige 
befolge wird in dem Getümmel des Kampfes von dem 
König getrennt. Nur sein Edelknabe Leubelfing, 
eines Nürnbergers Sohn, hatte treu bei ihm aus 
schalten; als er den König endlich frei auf dem 
^voden sieht, springt er von seinem Roß und bietet 
eb dem tödtlich verwundeten Gebieter an. Allein der 
^jährige Jüngling ist zu schwach, den schweren 
Körper des die Hände nach ihm ausstreckenden Königs 
w die Höhe zu richten, und dieser selbst zu entkräftet, 
^as dargebotene Pferd zu besteigen. Da sprengen fried- 
indische Kürassiere heran und rufen mit lauter Stimme: 
ist der Verwundete? Zornig rennt ein Reiter 
Edelknaben, der ausweichend antwortet, den 
^legen durch den Leib, und ein anderer schießt den 
König, der sich noch zu erkennen gibt, mit einer 
Pistole durch den Kopf. Nach dieser Mordscene geht 
e ® ans Ausplündern, und die nackten Leiber bleiben 
auf dem halbgeftorenen Felde liegen. Ein Uhr Mittags 
ist's, wo der große König auf deutscher Erde in voller 
Manneskraft sein Heldenleben beschließt. Unterdessen 
ist der Herzog von Weimar bei den Windmühlen 
siegreich gegen den rechten Wallensteinischen Flügel 
vorgedrungen und hat den Croatengeneral Jsolani, 
der durch eine Flankenbewegung den Schweden in den 
Rücken kam, so wacker empfangen, daß dieser nach 
kurzem Kampfe es vorzieht, das Weite zu suchen. 
Mitten in seiner Siegesarbeit trifft ihn die erschütternde 
Nachricht von dem Tode des Königs, den auch das 
blutende und wild auf dem Felde noch umherirrende 
königliche Schlachtroß den Schweden und Deutschen 
verkündet hat. „Der König ist todt!" geht's wie ein 
Lauffeuer durch die Reihen der streitenden Männer, 
und ein jäher, betäubender Schreck füllet das Herz; 
dann aber steigt'S mit tausendstimmigem Ruf zum 
Himmel: Rächet ihn, rächet ihn! Der Herzog von 
Weimar übernimmt jetzt die Leitung der Schlacht 
und eilt mit Blitzesschnelle zu dem rechten Flügel des 
schwedischen Heeres. „Ihr Schweden, Ihr Finnen, 
Ihr Deutsche," ruft er weithin über das Feld, „euer 
und unser Vorfechter der Freiheit ist todt! Für mich 
ist das Leben kein Leben mehr, wenn ich seinen Tod 
nicht rächen soll. Wohlan denn, greift unverzagt den 
Feind an, und wer beweisen will, daß er den König 
geliebt hat, der thue es jetzt. Folgt mir und fechtet 
als ehrliche Soldaten." Und wie der Blitz zündet 
sein Wort; mit furchtbarer Entschlossenheit und mit 
dem Ungestüm des brausenden Sturmes stürzen sich all 
die Männer auf das friedländische Heer. Nach kurzem, 
heißem Streit wird es überall zurückgeworfen, und 
schon lösen einzelne Haufen in wilde Flucht sich auf, 
schon jagen ganze Reitereigeschwader mit verhängten 
Zügeln gen Leipzig zu — da heißt's ans einmal, der 
Pappenheim kommt! Wie Zauber wirkt der Helden 
name, das kaiserliche Heer wird wieder fest, denn 
mit vier Kürassier-Regimentern kommt er wirklich in 
vollem Rosseslauf über das Feld daher gesaust. Wo 
kommandirt der Schwedenkönig! ist sein erstes Wort. 
Man zeigt auf den rechten Flügel, und dorthin stürzt 
er in wilder Eile und seine Reiter ihm nach. Die 
ganze Schlacht entbrennt von neuem, und insonderheit 
wird die schwedische Mitte, die am weitesten vorge 
drungen ist, am furchtbarsten bedrängt; doch die far 
bigen Regimenter weichen keinen schritt zurück. Die 
wackeren Kämpfer halten aus bis auf den letzten 
Mann; in derselben schönen Ordnung, die sie nock- 
kurz zuvor mit Tapferkeit im Leben eingenommen, 
liegen sie todt bei ihren Waffen auf dem blutgetränkten
	        
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