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sahen an ihm nur Greuel und Aergernis. Er fühlte
das selbst und es drückte ihn hart. Wenn er nüchtern
war, konnte er bittere Thränen darüber vergießen.
Aber alle Thränen schützten ihn nicht, daß er nicht
am nächsten Tage dem alten Götzen gedient hätte. —
Eines Morgens geht er aus. Aus einem Geschäfts
gänge wird ein Weg in die Trinkstube. Bald ist er
seiner Sinne nicht mehr mächtig. Nur das fühlte
er noch, daß er, wenn er jetzo nach. Hause käme,
den Kindern Aergernis, der Frau aber Trauer und
Herzeleid mitbrächte. Er getraut sich d^rum nicht
nach Hause. Aufgeregt und verwirrt, mit einem hüb
schen Sümmchen Geldes in der Tasche, stürmt er
zum Stadtthor hinaus, ohne Weg und Steg, durch
Felder und Graben, durch dick und dünn, auf die
nächste Stadt zu. Die Nacht bleibt er in der Nähe
dieser Stadt auf dem Felde liegen. Am Morgen —
denn der Gedanke an die Rückkehr nach Hause ward
ihm immer schwerer — geht er wieder in die Schenke
und treibts, wie gestern. Endlich wankt er fort und
eine Kutsche nimmt ihn mit nach Dresden. So oft
seine Gedanken und Sorgen sich durch den Nebel
durcharbeiten wollen, werden sie mit Schnaps ersäuft.
Er bleibt die Nacht in der großen Stadt. Ohne zu
wißen, was er beginnen soll, durchwandert er am
Morgen die Straßen. Er kommt auf die Brücke und
s^>äut auf die Fluthen hinunter, die schon so manches
Säufers Grab geworden find. Er hat auch seine
eigenen Gedanken; es ist ihm, als ob ihm einer ins
Dhr riefe: Mach, daß du hinunter komnist, hier oben
dist du nichts mehr nütze. Nach Hause kannst du
uicht wieder, wo willst du hin? Indem er diesem
Gedanken nachgeht, tritt ein Jüngelchen mit offenem
und freundlichem Gesicht, reinlich gekleidet, etwa 6
dis 7 Jahre alt, neben ihn und schaut auch in die
gellen, aber sicher mit anderen Gedanken. Der
Trunkenbold zieht den Beutel und ein Glas heraus,
gibt dem Kleinen einen Sechser und bittet ihn, ihm
aus dem nächsten Laden Schnaps zu holen. Der
fdhabe sieht ihn groß an und spricht: Mein Vater
winkt gar keinen Branntwein. Er sagt: der Brannt
wein macht dumm, wüst und gottlos. Trinke
du auch keinen mehr. Da hast du deinen Sechser
wieder. Den Töpfer, der nicht wußte, wohin er wollte,
^'greifen diese Worte wie eine Gottesstimme. Er
-nutz sich von dem Kinde wegkehren, die Thränen
drechen, ihm mit Gewalt hervor. Der Kleine ist
unterdes seines Weges gegangen, ihm aber gehen die
Augen auf, es wird jetzt ihm klar, was noth sei.
Tchne Zögern machte er sich auf zu den Seinen.
Demüthig, mit viel Gebet und Thränen, aber doch
auch wieder getrost, durchwandert er das Feld, das
er zwei Nächte vorher ohne Sinn und Verstand durch
rannt hatte. Mit der Morgendämmerung, denn er
will sich vor keinem Menschen sehen laßen, pocht er
an die Hausthür. Verweint und verwüstet tritt er
ein. Die Seinigen hatten ihn den ganzen Tag rings
umher suchen laßen und hatten endlich gemeint, er
sei im Trünke irgendwo verunglückt und ihn ziemlich
sicher für todt gehalten. Als sie alle um ihn ver
sammelt sind, erzählt er ihnen seine Irrfahrt, aber
auch sein Gelübde, das er vor Gott gethan habe,
fortan den Branntwein zu meiden, wie Gift. Und
er hielt es, denn er ward wieder ein stiller, fleißiger
Hausvater, wie zuvor. Außer alten Sprüchen malte
er noch fleißig auf seine Schüßeln: Die Trunkenbolde
werden das Reich Gottes nicht ererben, und: Wehe
denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens
sich zu befleißigen. Der Friede Gottes wohnte wie
der in der Familie und der alte Riß zwischen ihm
und den Seinigen heilte wieder zu. In des Mannes
Gedanken ist jener Knabe fast zu einem Engel Gottes
geworden; er hat auch freilich Engeldienst an ihm gethan.
Wir alle aber wollen bitten, daß der Herr mehr armen
Verirrten solche Engel entgegenschicken wolle.
Regeln für den Hausstand.
1) Bet und arbeite. Bet heißts zuerst; das
ist der Morgensegen und der Tagessegen und der
Abendsegen. Wo das Gebet das Tagewerk beginnt,
fortsetzt und endet, da hilft Gott arbeiten. Es geht
frisch und freudig von der Hand und gibt ein ordent
liches Stück. Da ist das "Arbeite» keine Last und
Bürde, sondern eine Lust und Würze. Das Sprich
wort: Handwerk hat einen goldnen Boden, sagt mir
auch nicht, es bringt Gold ein, sondern der goldene
Boden ist die wahre Frömmigkeit des Herzens, auf
dem das Handwerk ruhen muß; dann aber nährt es
seinen Mann und die ganze Haushaltung mit. Das
Beten allein thuts nicht, aber das Arbeiten ohne
Beten thuts gar nicht, denn dem fehlt der Segen
Gottes. Darum beides zusammen und ungetrennt,
das ist das Rechte und Echte. Die Alten wußten
recht gut aus Erfahrung, warum sie das Morgen
gebet Morgensegen und das Abendgebet Abendsegen
nannten. Probiers nur einmal. Du lernst dann
auch, warum es so heißt.
2) Halt zu Rath früh und spat, so jeder
etwas übrig hat. Das reicht dem ersten die Hand