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Sonntag lag ein blauer, klarer Himmel über dem
Dorfe. Da hatte denn der Hofbauer — so nannte man
ihn wegen seines adligen Gutes — seinem Gesinde
zugerufen: Angespannt und eingefahren! Die Frucht,
mit der es bis jetztund noch gut steht, muß nach Haus.
Ich will mir sie vor Thorschluß nicht noch von dem
Wetter verderben laßen! Wer weiß, wie's morgen
ist, und die Sabbathsbuße, die's vielleicht kostet, wird
der Buchacker schon wieder einbringen.»
»'s ist doch eine Sünd und Schande,» sagte der
Schusterkonrad kopfschüttelnd, als er den Wagen mit
den vollen Garben vorbeifahren sah, »den Sonntag
unseres Gottes so zum puren Werktag zu machen!
Freilich, der Hofbauer ist einer von den Aufgeklärten
und glaubt, er brauche sich nicht an Gottes Ordnung
zu kehren, wenns nicht gerade so geht, wie er will.
Aber wart nur, wer weiß, wie bald du gehorchen
mußt!»
»Aber, Konrad,» entgegnete ihm die Jcklersche,
die Frau des Dorfsattlers, »Ihr habt selbst schon
oft gesagt, unser Herrgott gebe uns seine Gaben täglich
und reichlich und der Segen, den er auf Wald und
Feld gelegt, sei unser. Doch dürften wir nicht träge
zusehen und die Hände in den Schoß legen. Ich
glaube, viele fallen dem Hofbauer nicht ab und geben
ihm Recht. Sagt selber, hätten wir voriges Jahr
in der Heuernte, nur ein paar Stunden nach den
Kirchen, uns tüchtig gerührt, das Heu wäre uns am
Montag nicht fortgeschwommen.»
»Doch, doch,» ließ sich der Schusterkonrad nicht
irre machen, »ich habe Recht,, und die andern haben
Unrecht; denn Gottes Gebot ist wider sie. Er sagt:
da sollst du kein Werk thun, noch dein Sohn, noch
deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd,
noch dein Vieh. Und was er spricht, das gilt. Den
Sonntag will er haben, und was an dem Tage nicht
für ihn gethan ist, das hat keinen Segen und keinen
Bestand. Dazu spricht unser Herrgott nicht sein Ja
und Amen. Sein ist Wind und Wetter, Regen und
Sonnenschein, und wie ers macht, so ists gut: Was
er uns heute nimmt, das gibt er uns morgen wie
der, wir sollen ihn nur walten laßen, sein Odem
und Aufsehen bewahret unser Leben. Schickt er auch
nicht gleich die Strafe auf dem Fuße nach, so glaubt
nur, der Hofbauer wird die Hand unseres Herrgotts
schon erkennen. Wie ichs meine und wie Ihrs meint,
daß der Sonntag heilig sei, so meinen es auch
in allerlei Bolk die, welche Gott fürchten. Dabei fällt
mir eine Geschichte ein, die in dem fernen Schwei
zerland passirt ist und die sich der Hofbauer Wort
für Wort hinters Ohr schreiben kann und noch beßer
ins Herz.«
Die lautlose Stille, die jetzt eintrat, war für
den Schusterkonrad die Aufforderung, zu erzähle»,,
und er begann:
»Im Emmenthal in der Schweiz hatte ein Bauer,
der nach Gott und Menschen nichts fragte und bloß nach
dem eigenen Kopfe fahren wollte, an einem Sonntag
viel Korn draußen liegen. Als er Nachmittags an
den Bergen die Wolken gesehen, dahat er das Gesinde
zusammengerufen und gesagt: Rasch hinaus, gehäufelt!
und gebunden! Es wettert auf den Abend; bringe»!
wir tausend Garben trocken ein, so gibts darnach
Wein genug! Das hörte die Großmutter, die war ,
80 Jahre alt und gieng auf zwei Krücken; sie kam
mühsam daher und sagte: Johannes, Johannes, was > !
denkst du doch! So lange ich mich zurückerinnern mag,!
ward hier am Sonntag nicht eine Handvoll eingeführt, >
und meine Großmutter hat mir gesagt, auch sie könne |
sichs nicht besinnen, und doch ist immer Segen bei! ,
der Sache gewesen und von Mangel hat man hier '
nichts gewußt. Und wenn es Noth am Mann wäre, l
Johannes, oder ein naß Jahr! Aber trocken wall i
es bis dahin und trocken wird es auch wieder werden, I
und Naßwerden schadet dem Korne nichts, und würde 5
es ihm schaden, so hast du zu denken, der Herr, der ! (
das Korn gegeben, gibt auch den Regen, und wie er , <
es gibt, so hast du es anzunehmen. Johannes, thue s >
es nicht, ich halte dich dringlich an! — M
Bei diesen Worten der Großmutter stand das \
Gesinde umher, die Alten machten ernsthafte Gesichter, i
aber die Jungen lachten und sagten unter sich, das ^ l
Altväterische sei jetzt abgethan; jetzt sei eine andere s
Welt. Großmutter, habt nicht Kummer! sagte der i
Bauer. Alles muß einmal zum ersten Mal geschehe», e
und deshalb ist es noch nicht bös. Unserm Herrgott , c
wird das nicht viel machen, ob wir heute schaffe» c
oder schlafen, und ebenso lieb wird ihm das Kor» !
unter Dach, als im Regen sein. Was drin ist, ist 1 t
drinnen, denn wie es den andern Tag sein wird, weiß r
niemand. Johannes, Johannes, drin und drauße» *
ist die Sache des Herrn, und wie es diesen Abend »
sein wird, weißt du nicht; aber du weißt, daß ich
deine Großmutter bin und dich um Gottes willen r
anhalte, laß heute dein Korn draußen! Ich will, >
wenn du eö sonst nicht machen kannst, ein ganzes Jahk i j.
kein Brot eßen! Großmutter, sagte Johannes darauf, j °
deshalb sollt ihr nicht desto weniger Brot haben; Jj
aber eine Zeit ist nicht alle Zeiten, eS gibt alle *
Jahre neue Gebräuche, und seine Sache sucht nw» 1