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geschickt, ihm die Früchte auf dem Felde gerathen
laßen, seinen Viehstand gesegnet, ihm Weib und Kind
und alle Güter gegeben, die das Herz erfreuen. Aber
es ist so, als ob die Leute das Gute gar nicht
vertragen könnten. „Die Ehrbarkeit und Gottesfurcht
wandert aus, und übermuth und ungeberdiges Wesen,
'Müßiggang und Rauflust, wüste Gelage und Kleider
staat, Schlägereien und allerlei schlechte Händel sind
dagegen im Schwange, verdüstern das Herz, stören
den Frieden und machen den Beutel leer. Und gehts
so fort, so wohnen in dem sonst so wohlhabenden
Orte nichts als Lumpen und Bettler. Aber was ich
dazu thun kann, dieser verkehrten und thörichten Art
die Augen zu öffnen, das soll mit Gott und seiner
Gnade von mir geschehen.«
Der Schusterkonrad hatte schreiben und lesen ge
lernt und den Inhalt vieler guter Bücher, insonder
heit der heiligen Schrift, nicht bloß in den Kopf,
sondern auch in das Herz aufgenommen; er wußte
, seine Worte gut zu setzen und konnte gleich dem Pfarrer
auf der Kanzel einem in das Gewißen reden. Daher
holte mancher aus dem Dorfe bei ihm sich Raths
oder hörte seinen Erzählungen, die er bald aus seinem
Eigenen nahm, bald von dem, was andere zum Nutzen
und Frommen des Nächsten gedacht und geschrieben
hatten, gern und mit Wohlgefallen zu. An den
dunklen Winterabenden oder den Sonntagnachmittagen
sammelte sich meist ein Kreis von Bekannten und
Nachbarn um ihn, und waren es im Anfang nur
Männer, die da kamen, so fanden sich auch bald
Weiber, junge Bnrsche und Mädchen unter seinen
Zuhörern. Und der lahme Konrad saß dann wie
ein Vater unter seiner Familie und von den Alten
wie von den Jungen erlaubte sich keiner, wenn er
sprach, durch einen Scherz oder eine muthwillige
Neckerei den Lauf seiner Rede zu hemmen. Viele
nahmen aus diesen Zusammenkünften ein gutes Körn
lein mit hinweg, das später in dem Herzen zur gesunden
Frucht emporwuchs, andere schlugen das Gehörte doch
auch bald wieder in den Wind und ließen eö leicht
sinnig in den Wogen des Lebens zerrinnen.
2.
An dem Sonntage, von dem hier der Kalender
mann schreibt, saß der Schusterkonrad vor der Thüre
seines Hauses und schaute mit Behagen in die blü
hende Landschaft hinaus. Denn der Frühling war
wieder ins Land gekommen mit all seiner Frische und
glänzenden Pracht. In Busch und Baum jubilirte
und musicirte es, daß eö eine Freude war; Fink und
Amsel und all die andern fröhlichen Sänger wollten
noch vor Schlafengehen dem Herrn ihr Danklied
bringen, der sie nährt und ihnen Speise gibt, ohne
daß sie säen und ernten und in die Scheunen sam
meln. Sein Auge ruhte bald auf der gelben Butter
blume in der nahen Wiese, bald schweifte es zu den
fernen Höhen. welche die sinkende Sonne mit goldnem
Licht umsäumte.
Da auf einmal nahten Schritte seiner Hütte und
weckten ihn aus seinem stillen Sinnen. «Guten Abend,
Konrad!« rief es von mehreren Seiten. «Ist es
erlaubt, noch ein wenig bei Euch vorzusprechen?«
»Ist wohl erlaubt!« erwiderte er den nachbarlichen
Gruß und lud die Gäste mit gewohnter Freundlichkeit
zum Sitzen ein.
Die wie mit Gold umfloßenen Berge und das
lachende Wiesenthal mit dem still dahinziehenden Fluße
verfehlten ihres Eindrucks auf die Angekommenen nicht
«Ach, hier ist es doch schön,« nahm Eckhardts Phi-
lipp, ein verständiger und wohlgesinnter Bauer, das
Wort und machte sichs bequem auf der steinernen
Bank, während die andern sich die hölzernen Schemel
aus dem Hause holten, »ja, hier ist es schöner, als
in der Wirthsstube im grünen Baum, wo Brannt
weinfusel und Tabaksqualm die Köpfe benebeln und
Zank und Streit mit zu Tische sitzen. Königs Anton,
der, wenn er bös wird, sich selber nicht kennt und
wie ein Toller tobt und rast und ein Maul am Kopfe :
hat wie ein Schwert, hat eben an dem Alles vom
Berg seinen Meister gefunden. Wahrlich, man muß '
sich darüber wundern, was der Leinweber für eine !
Kraft in den dürren Knochen hat. Mit einem Stuhl
bein hat er ihm den dicken Buckel tüchtig gedroschen,
und jetzt tragen sie ihn in seinem Blute und mehr
todt als lebendig nach Haus. Doch der Alles kann
sich vor dem Anton in Acht nehmen, der gedenkts i
ihm Jahr und Tag!« »Ja, was man einbrockt," ; j
meinte darauf der Schusterkonrad, »muß man auch 1
ansehen, und wie man in den Wald ruft, so schalltS i
einem entgegen. Aber es ist doch, meine Freunde, l
ein Jammer! Als ob der liebe Sonntag nur da
wäre zum Trinken und Raufen und Balgen. Der
Zorn ist ein freßend Feuer, und in der Hitze thut >
einer nicht, was recht ist und dem Herrn gefällt. !
Jesus Sirach sagt: ein zorniger Mensch zündet Hader -
an, und wer jäh ist zum Hader, zündet Feuer an, und >
wer jäh ist zum Zanken, vergießt Blut. Machte es |
der Anton und machten es alle andern so wie jener >
Hitzkopf, der Bastian, so bewahrten sie ihren Leib
vor Schlägen und ihr Herz vor Sünde. Man muß °