Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

»MMWWWWWW 
44 
34 
2) Gewerbebetrieb durch Ausleihen. 
Wenn auch nicht neu, so doch wenig bekannt dürfte 
es sein, daß Schuhmacher gegen bestimmtes jährliches 
Abonnement den Bedarf an Schuhwerk liefern. Es 
sind uns Beispiele bekannt, daß ein Schuhmacher in 
Trier einem einzelnen Herrn seinen Bedarf an Schuh 
werk gegen einen Abonnementsbetrag von jährlich 
15 Thlrn., ein anderer den Bedarf an Schuhwerk 
einer Familie gegen das jährliche Abonnement von 
100 Thlrn. rc. liefert. Bedingung hierbei ist es, daß 
bei der Instandhaltung des aus einer bestimmten Zahl 
von Schuhpaaren bestehenden Schuhwerks das Ober 
leder niemals geflickt werden darf. In anderen 
Städten gibt es Hutmacher, welche in ähnlicher Weise 
Abonnement« auf Hüte annehmen und einem abon- 
nirten Herrn wöchentlich einen neuen Hut zur Be 
nutzung leihen. In diesem Falle ist es Bedingung, 
daß der Hutwechsel nicht seltener als jede Woche ge 
schieht, weil ein wöchentlicher Wechsel der Hüte 
weniger Schwierigkeiten für die Reinhaltung und 
Berkaufsfähigkeit der Hüte darbietet, als ein monat 
licher Wechsel. Diese Einrichtung streift schon an die 
Leihanstalten, welche in großen Städten für die Klei 
dung überhaupt bestehen. Mancher hat nicht die 
Mittel und Gelegenheit, um hinsichtlich seiner Klei 
dung mit der Mode voranschreiten zu können, oder 
er nutzt die Kleidung nicht so schnell ab, als die Mode 
vorgeht und Neues erzeugt, oder hat keine Lust oder 
keine Räumlichkeit zur Aufbewahrung von Kleidungs 
stücken, wie sie verschiedene festliche Gelegenheiten 
erheischen; in diesen und ähnlichen Fällen bieten nun 
grcße Kleidermagazine entweder ein Abonnement für 
sonntägiges Leihen von Kleidungsstücken oder gegen 
bestimmte Taxe für einmaliges Leihen von Kleidern 
vollständige Anzüge an, welche stets der neuesten Mode 
entsprechen. Das Abonnement stellt sich selbstredend 
am höchsten, wenn der Abonnent sich stets vollständig 
neue Kleidungsstücke bedingt. Auf diese Weise ist es 
in solchen Städten denjenigen, die auf das Sprüch- 
wort "Kleider machen Leute« viel Gewicht legen, 
möglich, gegen ungefähr das Doppelte von dem, was 
es kostet, wenn man des Jahres über in dem beschei 
denen Zweierlei, Dreierlei oder Viererlei von Klei 
dungsstücken erscheint, jeden Sonntag oder jede Woche 
in dem neuesten Modeschnitt aufzutreten. Daß auch 
Goldarbeiter Schmuckgegenstände verleihen, ist eben 
nichts Neues. In Amerika giebt es gar Häuser, 
welche auf das Comfortabelste eingerichtet sind. In 
denselben kann man pro Tag/Woche, Monat rc. 
gegen eine bestimmte Gebühr wohnen, um momentan 
das Vergnügen eines von großem Luxus umgebenen 
Reichen genießen zu können. Die vorbezeichnete Art 
von Gewerbsbetrieb wird in dem Maaße zunehmen, 
als der Luxus in den unteren Ständen sich steigert, 
die Mode und Industrie die Verbrauchsgegenstände 
vervielfältigen und der Wechsel in den Consumgegen- 
ständen beschleunigt wird. 
Goldene Sprüche für Anfänger in der 
Haushaltungskunst. 
1) Fanget nicht zu hoch an. 
Das ist ein Unglück für neue Haushaltungen, 
wenn sie vornehm und bequem anfangen. Dann 
wollen sie es so fortsetzen und es geht am Ende über 
ihre Kräfte. Wer klein anfängt, kann groß aufhören, 
wer groß anfängt, kann wohl kleiner, feiten aber 
größer werden. Die Jugend kann leicht entbehren, 
denn sie hat Kraft in sich; die alten Jahre brauchen 
aber Nachhülfe von außen her. Wer klein anfängt, 
von dem fordert man wenig, wer vornehm thut, 
von dem verlangt man Vornehmes. Schönes Haus- 
geräth, schöne Kleider, neben einem leeren Geldsack, 
sind ein vergoldetes Kreuz über dem Grabe des häus 
lichen Wohlstandes. Es macht mehr Ehre, wenig 
scheinen und viel sein, als wenig sein und viel scheinen. 
So lernt denn von der ersten Stunde an mit Weni 
gem vorlieb nehmen und Viel zurücklegen. Nur der 
ist reich, der weniger braucht, als er hat. 
2) Arbeit erwirbt nur halbes und Sparen nur 
halbes Vermögen; aber Arbeit und Spare» 
erwirbt ganzes Vermögen. 
Einerlei Arbeit bringt gleichen Lohn; aber bessere 
Arbeit besseren Lohn. Wer nicht bei der Arbeit täglich 
etwas Neues lernt,' um sie vollkommener zu machen, 
der bringts nicht weiter. Der Kopf muß denken, 
wenn die Hände schaffen. Der Stier am Pfluge 
arbeitet auch, aber denkt nicht, bleibt immer ein 
Stier und immer am Heu. — Eitel ist des Mannes 
That, hält die Hausfrau nichts zu Rath. Die Frau 
kann in der Schürze mehr aus dem Hanse tragen, 
als der Mann mit dem Wagen hineinfahren. Darm« 
muß man kleine Ausgaben mehr scheuen, als die gro 
ßen ; denn die großen kommen selten und bei denselben 
rechnet man; die kleinen kommen aber alle Tage und 
man rechnet dabei nicht immer. Wer den Kreuzer 
nicht in Ehren hält, gelangt nicht zum Gulden. 
£ 
te 
ei 
fi 
fi 
si 
d! 
L
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.