plötzlich nach allen Seiten hin in wilder Flucht sich
aufzulösen.
Auch Tallard ward in diese, in der Richtung
nach Hochstädt hin, mit fortgerissen. Nach seiner
Gewohnheit und seinem eitlen Wesen entsprechend
auch an diesem Tage wieder einen milchweißen, pracht
voll mit Gold und Purpur aufgezäumten Schimmel
hengst reitend und in ein kostbares Gewand von
Goldstoff gekleidet, darüber her das breite himmel
blaue Band des Ordens vom heiligen Geiste und
auf dem Haupte einen reich mit Goldborden besetzten
Hut, von welchem lange weiße Flaumfedern herab
wallten, leuchtete er somit aus der Masse der Flücht
linge weithin sichtbar hervor.
So geschah es, daß hierdurch zu seinem Unstern
auch die Aufmerksamkeit zweier Dragoner vom Regi
ment Erbprinz auf ihn gelenkt wurde, welche sich
unter den hitzig Verfolgenden am weitesten in die
flüchtigen Feinde hineingewürgt hatten. Tallard
erblicken, erkennen wer es sei und keinem andern
Gedanken mehr Raum geben, als ihn zu erreichen
und ihn niederzumachen, war für beide Dragoner um
so mehr die Eingebung eines Augenblicks, als heute
und an diesem Tage von den Regimentern Erbprinz
und Auerochs überhaupt kein Pardon gegeben wurde.
Niemand wollte sich durch Gefangene oder Beute
machen aufhalten lassen, sondern unter dem unab
lässigen wilden Rufe: „Revange für Speier
bach!" ward mitleidlos alles niedergemacht, was ihr
Schwert erreichen konnte. So bekümmerten sich denn
auch jene zwei Dragoner um nichts weiter, was um
sie her vorging, sondern verfolgten fort und fort
seine Spur wie zween hungrige Wölfe, die den Edel
hirsch jagen, und suchten sich zu ihm hindurch zu
arbeiten.
Dies Benehmen war zu auffällig, als daß Tallard
es nicht hätte bemerken sollen. Da nun das Gewirre
und Getümmel der vor und um ihn herum jagenden
Reiter ihn hinderte, rasch vorwärts zu kommen, so
lenkte er, da wo sich dem linken Donanufer entlang
ein weiter Wiesenplan gen Sondernheim hin erstreckt,
links ab, in der Hoffnung über diesen hin auf seinem
trefflichen Renner sich leicht den zwei ihm immer
unheimlicher werdenden Gesellen entziehen zu können.
Aber dieser Wiesenplan war vielfach mit Sumpfstellen
durchzogen, nnd da Tallard blöden Gesichts war,
vermochte er nicht, diesen auszuweichen, sondern
gerieth in eine solche hinein uud bemühte sich ver
gebens mit seinem Rosse sich wieder aus derselben
heraus zu arbeiten. Freilich konnten auch seine
Verfolger aus deinselben Grunde nicht an ihn Hera«, jj
da aber diese sich anschickten, sich schußfertig auf ih« j
zu machen, so schwingt sich Tallard, als er daS <3
sieht, von seinem Rosse herab, um zu Fuß und g
jenes am Zügel führend die böse Stelle zu passim« sj
Doch schon nach wenigen Schritten versinkt er bis j,
unter die Arme in Sumpf und Moor, während sei« g
sich hoch aufbäumendes Roß den Zügel zerreißt und,
davon eilt. So sieht er sich denn gänzlich unfähig, (j
vor- oder rückwärts zu kommen, und wehrlos seine« k
Verfolgern preisgegeben; diese aber, versichert, das
er ihnen nunmehr so leicht nicht entkommen könne, 3
haben sich ebenfalls von den Pferden geschwunge« ^
und beginnen, sorgsam die trügerische" Rasendecke
prüfend, langsam zwar, aber immer näher und näher
durch Sumpf und Moor sich zu ihm hinzuarbeiten. .
Nur zu deutlich kündet ihr ganzes Wesen ihre Absicht ^
an, ihr grimmiger Blick sagt ihm, was er von ihnen j
zu erwarten habe. Tallard war bei aller Eitelkeit „
und Hochmuth sonst ein tapferer Mann; aber auch (
der Muthigste wird bei dem Gedanken, wehrlos ab- e
geschlachtet zu werden, sich mit Grausen erfüllt sehen, fl
und so gewann denn auch bei Tallard das Entsetzen „
die Oberhand über den Stolz. Wiederholt und immer |
flehender in Ton und Geberden rief er daher in,
gebrochenem Deutsch jenen Dragonern zu: „Pardon! t
Pardon! für einen Marschall von Frank- „
reich, Pardon!" Aber er ruft es tauben Ohren ^
zu, denn mit keiner Miene verrathen die beiden r
Dragoner, daß sie solchen zu gewähren geneigt seien. 0
Sie mochten denken, damals am Speierbache hätten j
auch so viele brave Hessenkinder keinen Pardon be- ,
kommen, und auch Prinz Philipp von Hessen- *
Homburg habe da sein junges Leben lassen müssen, ^
somit brauche es auch dem Franzosen da nicht besser ^
zu gehen, wenn er auch der Marschall Tallard 1 t
selber wäre, zumal da ja der Erbprinz die Parole ^
„Revange für Speierb ach!" gegeben habe., \
Da, gerade im letzten Augenblicke der höchsten Noth, «
führt das Geschick dem Marschall zum Glücke best; 5
Rittmeister Adam Heinrich v. Gr äsender ff von>
Regiment Erbprinz-Dragoner zur Stelle, der befiehlt t
den beiden Dragonern, ihm Pardon zu geben und -
ihm aus dem Moraste herauszuhelfen. , (
So ward ihm denn, wenn auch um den Preis <,
der Freiheit, das Leben erhalten, worauf er dcw >,
inzwischen auch noch herbeigekommenen General-Adju- s
kanten des Erbprinzen, Oberstlieutenant Carl vo« t
Bohneburgk, überantwortet wurde, der seine« d
Degen in Empfang nahm und ihn zum Erbprinzen