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fernste alter allen zu staunender bewunderung kundge-
geben, und die herschergabe des groszen königs, dessen
ruhmvolles andenken wir heute feiern, erschien sie nicht
bis zum schlusz seines daseins unermattet, unversiegt?
andern steigt der mut über die kraft hinaus. es mag ar-
beiten und unternehmungen geben, die sich für das alter
besonders eignen, die emsig eingeholte erfahrung voraus-
setzen und stillen, ruhigen abschlusz verlangen: ein phi-
lolog durfte wagen zuletzt an ein wörterbuch die hand
zu legen, dessen fernliegendes, fast zurückweichendes
endeziel in der engen frist des ihm noch übrigen lebens,
wo die regentropfen schon dichter fallen, leicht nicht
mehr zu erreichen steht. diese aus dem bescheidenen
gefühl menschlicher unzulänglichkeit entsprungene er-
wähnung wird nicht misgedeutet werden.
Zu also ungetilgter arbeitsfähigkeit und ungetrübter
forschungslust gesellt sich aber ein anderer und höhe-
rer vorzug der zusamt mit dem alter wachsenden und
gefestigten freien gesinnung. in wem (und welchem
menschen sollte das versagt sein?) schon von frühe an
der freiheit keim lag, in wessen langem leben die edle
pflanze fortgedieh, wie könnte anders geschehen, als dasz
sie im herzen des greises tief gewurzelt erschiene und
ihn bis ans ende begleitete? je näher wir dem rande
des grabes treten, desto ferner weichen von uns sollten
scheu und bedenken, die wir früher hatten, die erkannte
wahrheit, da wo es an uns. kommt, auch kühn zu be-
kennen. auf ihrem verleugnen beruht der fortbestand
und die verbreitung schädlicher und groszer irthümer.
nun ist uns in vielen verhältnissen gelegenheit geboten
eine freie denkungsart zu bewähren, hauptsächlich aber
zu äuszern hat sie sich in. den beiden lagen, wo das
menschliche leben am innersten erregt und ergriffen ist,