Full text: Rede auf Wilhelm Grimm und Rede über das Alter

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auch mildere seiten darbot, immer eine empfindbare herbe 
hinterblieb, richten wir den blick auf tugenden und vor- 
züge, die das alter mit andern lebensstufen noch gemein 
hat, oder die ihm sogar als eigen zuerkannt werden mö- 
gen. jene vorstellung eines müden, ohnmächtigen, harten, 
unseligen alters wird sich umbilden in ein bild von linde, 
milde, behagen, mut und arbeitslust, das ist die lenis, 
placıda, fortis senectus. 
Und wie selbst einfallende gesichtszüge sich noch 
veredeln, früher unbemerkte ähnlichkeiten mit den vor- 
eltern erst jetzt heraustreten lassen, weshalb es auch 
wohl heiszt, dasz alte leute manchmal schöner werden als 
sie vorher waren; ebenso müssen wir ihnen auch zuge- 
stehn, dasz der lange verkehr des durchlaufenen lebens 
sie aufgeheitert, feiner gemacht, eine freundliche und lieb- 
reiche, keine verdrossene stimmung der seele hervorge- 
bracht haben kann, von unsern nachbarn über dem Rhein 
gilt für ausgemacht, seien sie schon als junge leute brau- 
send, anmaszend und oft unleidlich, so gebe es doch kei- 
nen angenehmeren, liebenswürdigeren gesellschafter als 
einen ins alter eingetretenen Franzosen, der fortan un- 
vergleichlichen tact mit der gutmütigsten aufmerksamkeit 
zu verbinden wisse und überall vergnügend anrege. 
Vorhin schon wurde aufgestellt, dasz im alter mit 
der sinkenden. lebenskraft sich zugleich die empfindung 
der gesundheit erhöhe, und das ist kein widerspruch, da 
bei allem was seinem verlust entgegen geht ein geheimer 
und glücklicher trieb waltet es bis zur letzten frist zu si- 
chern und aufrecht zu erhalten. man darf weiter sagen, 
dasz in greisen das gefühl für die natur steige und voll- 
kommner werde als es im vorausgehenden leben war und 
dasz alles sie zum sicheren verkehr mit dieser stillen und 
fesselnden gewalt dränge oder anweise. mit welcher an-
	        
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