51
ersieht noch was der ohrenzeuge nicht mehr hört. künst-
liche hülfe kann dem ohr nur geringe, dem auge die
bedeutsamste geleistet werden. durch ein fernrohr er-
blickst du auf entlegnem pfade ’einen wandersmann da-
hergehen, du vermagst seine gesichtszüge und gebärden
zu unterscheiden, die knöpfe seines rocks zu zählen, aber
was er spricht oder ruft bleibt dir unvernehmbar. dem
gesicht wird solche macht zugegeben, dem gehör ver-
sagt. des hörens bedürfen wir zu vielem, des sehens
fast zu allem. wer will es leugnen, dasz die verhüllung
des auges ein schwereres leiden sei als die verdumpfung
des ohrs, blindheit den menschen härter treffe als taub-
heit? wem das gehör stockt, der kann, es ist wahr, nicht
mehr die liebliche stimme, die vertraute anrede der men-
schen vernehmen und meidet ihre kreise; allein sein auge
schaut noch offen in die welt, wie zuvor, das neuge-
schehende wird ihm heutzutage frisch auf der stelle ge-
druckt zugetragen und alles was ihm bestimmt verkün-
digt werden soll, kann ihm ohne beschwer schwarz auf
weisz hinterbracht werden. seine kenntnisse, seine bis-
herigen arbeiten lassen nicht nach, sondern haben einen
desto ungestörteren fortgang, als ihn überflüssige rede,
unnützes geschwätz nicht mehr unterbricht. Ganz an-
ders und weit stärker angegriffen stellt sich hingegen
die gewohnte wirksamkeit des erblindenden dar. mit ei-
nemmal sind ihm seine vorher gepflogenen und betrie-
benen geschäfte wie abgeschnitten, er darf nicht mehr
den eignen, sondern musz fremden augen trauen, die
ihm aufschlagen sollen, der stimme eines andern, die
ihm vorliest, was er lieber im buche sähe,” um einhalten
oder zweimal lesen zu können, wo er lust dazu hat. alle
hergebrachte leichtigkeit und sicherheit seines lebens ist
dahin geschwunden; trauliche bezüge seines umgangs