Full text: Rede auf Wilhelm Grimm und Rede über das Alter

zwar arm in arm legen jedes aber vor sich hinschauen. 
oben in der mitte an vierter stelle befinden sich ]Jungmann 
und jungfrau, d. i. braut und bräutigam, beide alleinste- 
hend, er mit dem hut in der hand vor ihr, sie sich ver- 
neigend. auf der fünften stufe steigen ab mann und frau, 
frei einander führend, auf der sechsten alter mann und 
alte frau, sich noch die arme reichend, schon ein we- 
nig gebückt, auf der siebenten endlich wieder unten greis 
und greisin, jeder mit stock und krücke sich forthelfend 
und vor ihren schritten öfnet sich ein grab. die noth- 
wendigkeit des stabs auf der letzten stufe mahnt an den 
bekannten ausspruch, dasz das kind auf vier beinen, der 
erwachsne mensch auf zweien, der greis auf dreien ein- 
hergehe. mir zweifelt nicht, wollte ein groszer maler ein 
solches bild reich auffassen und mit aller lebensglut aus- 
[ühren, es könnte eins der anmutigsten kunstwerke ent- 
springen. Statt der sieben werden aber auch zehen stufen 
oder alter aufgestellt und in worten folgendermaszen er- 
klärt: 10 jahr ein kind, 20 jahr ein Jüngling, 30 jahr ein 
mann, 40 jahr stille stahn, 50 jahr geht alter an, 60 jahr 
ist wolgethan, 70 jahr ein greis, 80 jahr schneeweisz, 
90 jahr der kinder spott, 100 jahr gnad dir got. oder mit 
abweichungen 10 jahr ein kind, 20 ein Jüngling, 30 ein 
man, 40 stillstan, 50 wolgetan, 60 abgan, 70 dein sel be- 
war, 80 der welt narr, 90 der kinder spot, 100 nun gnad 
dir got. oder auch 40 wolgetan, 50 stillestan, 60 abelan, 
70 greise, 80 aus der weise, 90 der leute spot, 100 er- 
barm dich got. diese reime sind kaum über das 15. jahr- 
hundert hinauszurücken, was doch keineswegs ausschlieszt, 
dasz nicht auch früher schon ähnliche in umlauf gewesen 
sein sollten. mit dem stillstand im vierzigsten gegenüber 
dem dreiszigsten jahr scheint in der that die schwebe zwi- 
schen jünglings und mannesalter, ein gipfel der kraft ge-
	        
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