Full text: Rede auf Wilhelm Grimm und Rede über das Alter

23 
halt erhielten. in wohlgefügten, ruhig entwickelten säz- 
zen sprach er über sich, was er gewollt und gethan, 
yieng von dem vergangnen auf die gegenwart über, be- 
urtheilte die politische lage der dinge in der ıhm im- 
mer eignen beruhigenden , hofnungsreichen anschauung 
und schlosz so einfach und natürlich ab, dasz hätte man 
nicht den im heftigsten fieber liegenden vor augen ge- 
habt und empfunden wie der tod eben zugreifen wollte, 
ein solches auseinanderlegen der gedanken auf den besitz 
gesundarbeitender geisteskräfte hätte schlieszen lassen. 
Die zeitungen brachten romantisch klingende be- 
richte über den zustand Jacobs nach dem tode seines 
bruders. verzweifelnd sollte er in den verlassenen stuben 
amherirren und nach ihm suchen. nichts davon ist wahr. 
er nahm das ereignis ganz ruhig auf, obgleich er es am 
wenigsten erwartet hatte. als ich ihn gegen morgen der 
letzten nacht weckte, trat ich in seine dunkle schlaf- 
stube und hörte ihn ruhig athmen. ‘ach Gott’, sagte er 
dann, ‘ich dachte es würde nun alles gut gehn’. nach- 
dem der vater gestorben war, gieng er oft in dessen 
arbeitsstube wo er lag und betrachtete ihn genau. beim 
begräbnis schritt er zwischen meinem bruder und mir 
Jie sanfte anhöhe des kirchhofes im scharfen winde über 
den Kknisternden schnee kräftig hinan. auch das wird 
denen unvergessen bleiben die damals am grabe stan- 
den, wie er zuletzt mit seinen feinen fingern nach einer 
scholle suchte, um sie in die grube zu werfen. ın sel- 
nem wesen war keine veränderung zu gewahren. er 
nahm die gewohnten arbeiten sogleich wieder auf und 
hat sie bis zu seinem ende in der alten weise fortgeführt. 
Diese ruhe bei einem so schweren verluste, die es 
ihm auch möglich machte öffentlich darüber zu reden, 
entsprang sicherlich dem gefühl dasz die trennung doch 
nur eine hand voll jahre dauern werde. wie leidenschaft- 
lich ihn in früheren zeiten der gedanke bewegte Wilhelm
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.