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wurde zu erkennen vermögen, eine menge regeln sind
zu diesen zwecken aufgestellt, geprüft, geläutert und
beobachtet worden. sie leiten getrost zur lehre aber
auch zur heilung und berichtigung der durch länge
der zeit entstellten von zusatz oder auslassung ver-
derbten schriftlichen denkmäler. abgewandt den blick
von so weitgreifenden, dennoch, wenn man den ausdruck
dulden will, wieder engeren zwecken offenbart sich eine
gewisse unzulänglichkeit der bisherigen anstalten für eine
neu vordringende, auf kaum geebneten pfaden rüstig auf-
strebende forschung. auch das wiederaufrichten unserer
alten deutschen und die bessere ergründung selbst unserer
heutigen sprache wird von gewicht für die nothwendig
gewordene aufnahme aller und jeder bisher vernachlässig-
ten europäischen zungen in den kreis vielfacher studien,
wofür die sanscritischen sprachen den entscheidendsten
ausschlag gegeben haben. eine vergleichende grammatik
ist geschaffen und erblüht, deren ergebnisse sich auch,
wie nicht ausbleiben kann, rückwärts zu den classischen
sprachen wenden. die classische philologie, ihrer festge-
gründeten herrschaft und ihres heilbringenden einflusses
sich bewust, wird, ohne das geringste aufzugeben, freudig
anerkennen, dasz sich neue schichten des wissens gebil-
det haben, deren unabhängige erfolge nicht zu hindern
sind; wie sollte dem arzte der chemiker oder botaniker
ein dorn im auge sein? ich bin fern davon meine in so
groszartigen bestrebungen der heutigen sprachforschung
klein erscheinenden studien irgend hervortreten zu lassen,
ich wollte blosz in bezug auf meinen bruder ihre rich-
tung bezeichnen. Wilhelm hatte wenig geschick fremde
sprachen zu erlernen, ich gläube er wäre ein sehr guter
arzt geworden, ich ein schlechter, zur noth ein leidlicher
botaniker.