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Da schlich ihm ein Jäger nach bis zu dem Häuschen, und hörte
wie es rief 'mein Schwesterlein, laß mich herein,' und sah daß
die Thür ihm aufgethan und alsbald wieder zugeschlossen ward.
Der Jäger behielt das alles wohl im Sinn, gieng zum König,
und erzählte ihm was er gesehen und gehört hatte. Da sprach
Ler König 'morgen soll noch einmal gejagt werden.'
Das Schwesterchen aber war recht erschrocken, als das Reh-
kälbchen verwundet herein kam. Es wusch ihm das Blut ab, legte
Kräuter auf, und sprach 'geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß
du wieder heil wirst.' Die Wunde aber war so gering, daß das
Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte; und als es die
Jagdlust wieder draußen hörte, sprach es 'ich kanns nicht aushal
ten, ich muß dabei sein; so bald soll mich auch keiner kriegen.'
Das Schwesterchen weinte, und sprach 'nun werden sie dich tödten,
ich laß dich nicht hinaus.' 'So sterb ich dir hier vor Betrübnis,
wenn du mich abhältst,' antwortete es, 'wenn ich das Hüsthorn
höre, so mein ich, ich müßt aus den Schuhen springen!' Da
konnte das Schwesterchen nicht anders, und schloß ihm mit schwe
rem Herzen die Thür auf, und das Rehchen sprang gesund und
schlich in den Wald. Als es der König erblickte, sprach er zu
seinen Jägern 'nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die»
Nacht, aber daß ihm keiner etwas zu Leide thut.' Wie die Sonne
untergegangen war, da sprach der König zum Jäger 'nun komm
* und zeige mir das Waldhäuschen.' Und als er vor dem Thürlein
war, klopfte er an, und rief 'lieb Schwesterlein, laß mich herein.'
Da gieng die Thür auf, und der König trat hinein, und da stand