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getrunken, und wie die ersten Tropfen auf seine Lippen gekommen
waren, lag es da als ein Rehkälbchen.
Nun weinte das Schwesterchen über das arme verwünschte
Brüderchen, und das Rehchen weinte auch, und saß so traurig
neben ihm. Da sprach das Mädchen endlich *sei still, liebes
Rehchen, ich will dich ja nimmermehr verlassen.' Dann band es
sein goldenes Strumpfband ab, und that es dem Rehchen um
den Hals, und rupfte Binsen, und flocht ein weiches Seil daraus.
Dann band es das Thierchen, und führte es weiter, und gieng
immer tiefer in den Wald hinein. Und als sie lange lange ge
gangen waren, kamen sie endlich in ein kleines Haus, und das
Mädchen schaute hinein, und weil es leer war, dachte es *hier
können wir bleiben und wohnen.' Da suchte es dem Rehchen
Laub und Moos zu einem weichen Lager, und jeden Morgen
gieng es aus> und sammelte sich Wurzeln, Beeren und Nüsse,
und für das Rehchen brachte es zartes Gras mit, das fraß es
ihm aus der Hand, und war vergnügt, und spielte vor ihm herum.
Abends wenn Schwesterchen müde war und sein Gebet gesagt
hatte, legte es seinen Kopf auf den Rücken des Rehkälbchens,
das war sein Kiffen, darauf es sanft einschlief. Und hätte das
Brüderchen nur seine menschliche Gestalt gehabt, es wäre ein
herrliches Leben gewesen.
Das dauerte nun eine Zeitlang, daß sie so allein in der >
Wildnis waren, da trug es sich zu, daß der König des Landes
eine große Jagd in dem Wald hielt. Da schallte darin das Hör
nerblasen, Hundegebell und das lustige Geschrei der Jäger, und