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mir gewiß einen Zweig von dem Baum abbrechen? 'Ja/ ant
wortete Zweiäuglein, 'das will ich wohl können, denn der Baum
gehört mir? und stieg hinauf, und brach mit leichter Mühe einen
Zweig mit seinen silbernen Blättern und goldenen Früchten ab,-
und reichte ihn dem Ritter hin. Da sprach der Ritter 'Zweiäuglein,
was soll ich dir dafür geben? 'Ach/ antwortete Zweiäuglein,
'ich leide Hunger und Durst, Kummer und Roth, vom Morgen
bis zum Abend: wenn ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so
wäre ich glücklich? Da hob der Ritter das Zweiänglein auf sein
Pferd, und brachte es heim aus sein väterliches Schloß. Dort gab
er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und
weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihm einsegnen, und ward
die Hochzeit in großer Freude gehalten.
Wie nun Zweiäuglein so von dem schönen Rittersmann fort
geführt wurde, da waren die zwei Schwestern recht neidisch über
sein Glück. 'Der wunderbare Baum bleibt uns doch/ dachten sie,
'können wir auch keine Früchte davon brechen, so wird doch jeder
mann davor stehen bleiben, zu uns kommen, und ihn rühmen;
wer weiß was uns noch für ein Glück blüht!' Aber am andern
Morgen war der Baum verschwunden, und ihre Hoffnung dahin:
und wie Zweiäuglein zu seinem Kämmerlein hinaussah, so stand
er zu seiner großen Freude davor, und war ihm also nachgefolgt.
Zweiäuglein lebte lange Zeit vergnügt; da kamen einmal zwei
arme Frauen auf ihr Schloß, und baten um ein Almosen. Da sah
ihnen Zweiäuglein ins Gesicht, und erkannte seine beiden Schwestern,