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und sprach ‘so lauf hin, du armes Kind.' Die wilden Thiere wer
den dich bald gefressen haben' dachte er, und doch wars ihm als
wär ein Stein von seinem Herzen gewälzt, weil er es nicht zu
todten brauchte. Und weil gerade ein junger Frischling daher ge
sprungen kam, stach er ihn ab, nahm Lunge und Leber heraus,
und brachte sie als Wahrzeichen der Königin mit. Der Koch mußte
sie in Salz kochen, und das boshafte Weib aß sie auf, und meinte
sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen.
Nun war das arme Kind in dem großen Wald mutterselig
allein, und ward ihm so angst, daß es alle Blätter an den Bäu
men ansah, und nicht wußte, wie es sich helfen sollte. Da fieng
es an zu laufen, und lief über die spitzen Steine und durch die
Dornen, und die wilden Thiere sprangen an ihm vorbei, aber sie
thaten ihm nichts. Es lief so lange nur die Füße noch fort konn
ten, bis es bald Abend werden wollte, da sah es ein kleines Häus
chen, und gieng hinein sich zu ruhen. In dem Häuschen war
alles klein, aber so zierlich und reinlich, daß es nicht zu sagen ist.
Da stand ein weiß gedecktes Tischlein mit sieben kleinen Tellern,
jedes Tellerlein mit seinem Loffclein, ferner sieben Messerlein und
Gäblein, und sieben Becherlein. An der Wand waren sieben Bett
lein neben einander aufgestellt, und schneeweiße Laken darüber ge
deckt. Sneewittchen, weil es so hungrig und durstig war, aß
von jedem Tellerlein ein wenig Gemüs und Brot, und trank aus
jedem Becherlein einen Tropfen Wein; denn es wollte nicht einem
allein alles wegnehmen. Hernach, weil es so müde war, legte es
sich in ein Bettchen, aber keins paßte; das eine war zu lang,