172
26.
König Drosselbart.
l§in König hatte eine Tochter, die war über alle Maße» schon, aber
dabei so stolz und übermüthig, so daß ihr kein Freier gut genug war.
Sie wies einen nach dem andern ab, und trieb noch dazu Spott mit
ihnen. Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen, und ladete
dazu aus der Nähe und Ferne die heirathslustigen Männer ein.
Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet;
erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grasen und
Freiherrn, zuletzt die Edelleute. Nun ward die Königstochter durch
die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der
eine war ihr zu dick, 'das Weinfaß!' sprach sie. Der andere zu
lang, 'lang und schwank hat keinen Gang.' Der dritte zu kurz,
'kurz und dick hat kein Geschick.' Der vierte zu blaß, 'der bleiche
Tod!' der sünstc zu roth, 'der Zinshahn!' der sechste war nicht
gerad genug, 'grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet.' Und so
hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte
sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand, und
dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. 'Ei,' rief sie und
lachte, der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel;' und