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Sie wollte sich dafür rächen daß sie nicht eingeladen war, und
ohne jemand zu grüßen oder nur anzusehen, ries sie mit lauter Stimme
4 btc Königstöchter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahr an einer
Spindel stechen, und todt hinfallen.' Nach diesen Worten kehrte
sie sich um, und verließ den Saal, und alle standen erschrocken,
da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte,
und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur ihn
mildern konnte, so sagte sie 'es soll aber kein Tod seyn, sondern
ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt?
Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern be
wahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß die Spindeln im
ganzen Königreiche sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen
aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn
es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jeder
mann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem
Tage, wo es gerade fünfzehn Jahr alt ward, der König und die
Königin nicht zu Hans waren, und das Mädchen ganz allein im
Schloß zurückblieb. Da gieng eS aller Orten herum, besah Stu
ben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an
einen alten Thurm. Es stieg die enge Vendeltreppe hinauf, und
gelangte zu einer kleinen Thüre. In dem Schloß steckte ein ver
rosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thür aus, und
saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau, und spann emsig
ihren Flachs. 'Ei du altes Mütterchen,' sprach die Königstochter,
'was machst du da?' *Jch spinne,' sagte die Alte, und nickte mit
dem Kopf. 'Wie das Ding so lustig herumspringt!' sprach das