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15.
Frau Holle.
Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und
fleißig, die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche
und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die
andere mußte alle Arbeit thun, und der Aschenputtel im Hause
sein. Das arme Mädchen mußte sich täglich auf die große Straße
Lei einen Brunnen setzen, und mußte so viel spinnen, daß ihm
das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, daß die
Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den
Brunnen, und wollte sie abwaschenr sie sprang ihm aber aus der
Hand, und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter, und er
zählte ihr das Unglück: sie schalt es heftig, und war so unbarm
herzig, daß sie sprach 'hast du die Spule hinunterfallen lassen, so
hol sie auch wieder herauf? Da gieng das Mädchen zu dem
Brunnen zurück, und wußte nicht was es anfangen sollte, und
sprang in seiner Angst in den Brunnen hinein, um die Spule zu
holen. Als es erwachte, und wieder zu sich selber kam, war es
aus einer schönen Wiese, da schien die Sonne, und waren viel
lausend Blumen. Auf der Wiese gieng es fort, und kam zu