Full text: Graf Rudolf

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Eine solche innerliche vereinigung der geschichte mit der dichtung, die in der späte- 
ren umarbeitung durch die unwahrheit ersonnener verhältnisse völlig zu grunde gegangen 
ist, finde ich in keinem andern gedicht weder aus dieser zeit noch aus dem folgenden 
jahrhundert. das Rolandslied, zu welchem ein wirkliches ereignis auch nur den anstofs gege- 
ben hat, kann als strenge übersetzung hier nicht in betracht kommen. darf ich aber von 
einem fremden gedicht reden, so kann nur das schon oben genannte provenzalische von dem 
kreuzzug gegen die Albigenser, das sich durch frische lebendigkeit und poetischen geist 
auszeichnet, dem unsern an die: seite gesetzt werden. doch in ihm herrscht das geschicht- 
liche weit entschiedener vor: es redet von ganz gleichzeitigen ereignissen, ja es springt in 
der ansicht und beurtheilung derselben völlig um, und macht nur in der dichterisch freien 
darstellung und in der auffafsung der nebendinge seine natur geltend. in dem könig Rother 
und herzog Ernst sind die geschichtlichen namen und beziehungen nur äufsere zuthaten, wie 
sie im Wilhelm von Orange, dem guten Gerhard, Wilhelm von Orleans und ähnlichen 
werken nur ein rahmen sind, der die erzählung einfafst. aufserdem werden in diesen ge- 
dichten die begebenheiten in eine unbestimmte ferne gerückt, während das unsrige die 
nächste vergangenheit, fast noch die gegenwart ergreift. höchstens könnte man die kleine 
erzählung von Otto mit dem bart anführen, in welcher eine einheimische sage aus eineı 
nicht allzuweit abliegenden zeit unter einheimischen verhältnissen dargestellt wird; es waı 
ein glücklicher griff Konrads, dem er den vorragenden werth dieses seine kräfte ‘nicht 
übersteigenden gedichts verdankt. Hartmanns armer Heinrich beschreibt nur ein familien- 
preignis. beide haben keine geschichtliche bedeutung wie unser gedicht, dem zu einem 
echten epos nichts fehlt, als der zusammenhang mit einer mythischen zeit und die volks- 
mäfsige äufsere form. 
In dem volksepos ruht eine gewalt der darstellung, die das werk eines einzelnen nicht 
erreicht: doch unser dichter hat schönes mafls im verweilen und fortschreiten, unbefangen— 
heit und geschick im abbrechen und verbinden, ein unerborgtes gefühl, das nicht wählt 
und sucht, sondern dem das rechte wort von selbst zufällt. nur einmal gebraucht er ein 
bild, wenn er den gegen die feinde losstürmenden held mit einem falken vergleicht, der 
in einen haufen vögel stöfst. aber dies gleichnis hat jene ausführlichkeit und sinnliche 
wahrheit, die uns bei Homer entzückt. freilich die sinnvolle rede Hartmanns oder die 
glänzende Gottfrieds finden wir nicht, noch weniger die blitze des geistes, die bei Wolf- 
ram, fast mit zu großer fülle, auf uns eindringen: doch dieser einfache und kunstlose aus- 
druck hat seinen eigenen reiz und eigenen werth. auch unter seinen zeitgenofsen weils 
ich unserm dichter keinen an die seite zu setzen. weder Eilhart von Oberge, der doch 
im stil am meisten verwandtschaft zeigt, noch die sonst lobenswerthe erzählung von 
Crescentia kommen ihm an wahrheit und wärme der gedanken und an natürlicher krafi 
der worte gleich. die geistlichen dichter Konrad, Wernher von Tegernsee und Lambrecht, 
denen ich poetische begabung gewifs nicht abspreche, stehen in dieser beziehung weit zu- 
rück. der Glicheser hat die schöne thiersage nicht zu beleben gewufst. bei Heinrich von 
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