Full text: Graf Rudolf

verschiedenheit zwischen Agarrain und Agorlin, Agar und Agorlot erklären, wenn man sie 
nicht als eine folge der mündlichen erzählung betrachten will. Halaps tochter empfängt 
erst in der taufe den namen Irmengart, vorher wird sie nur vrowe genannt: deshalb ist 
es noch weniger gewagt, in Acheloide ihren ursprünglichen namen zu erblicken, dem die 
bedeutung von ’Ayskwic (sirene) ganz angemefsen ist; wie die erfindung eines deutschen 
dichters sieht er nicht aus. dazu kommt dafs die namen in den zwei andern gedichten 
Bertholds, deren abstammung im dunkel liegt, deren schauplatz aber auf Syrien und Grie- 
chenland hinweist, in Demantin und Darifant, ebenso ungewöhnlich lauten. 
Ich will noch eine eigenthümlichkeit des spätern gedichts berühren. Gajol, Agorlin 
und Agorlot erhalten die beinamen Kranich, Falke und Staar (I, 11). die yeranlafsung 
ist wahrscheinlich in dem anfang des dritten bruchstücks erzählt worden, wo wir schon 
die einzelnen worte Crane und Stär finden. vielleicht sollte dadurch ihr benehmen bei 
dem ersten kampfe angedeutet werden, und der beiname nur für die jugendzeit gelten, 
denn Gajol wird blofs bis zu seiner vermählung Crane genannt (IM, 11. 9. IV, 34. 60): 
nachher tritt sein eigentlicher name wieder ein. den beiden gefährten wird der beiname, 
in den bruchstücken wenigstens, niemals wirklich beigelegt. übrigens hat der falke al- 
lein epische geltung (s. oben 46), und ist edler art (vgl. Minnesänger 1, 191°. 2, 105’): 
kraniche erheben geschrei (Klage 1085), und staare werden von den falken verjagt (Lo- 
hengrin 69); diese beiden scheinen sich also zur bezeichnung der tapferkeit nicht zu eignen. 
Gajol müfste falke genannt sein, wie ja auch Rudolf mit einem falken verglichen wird. 
sollte der umarbeiter den zusatz Gruwin, den Gajol in dem alten gedicht führt, und der 
gerade ausgelafsen ist, durch das lateinische grus gruis oder die romanische form grue sich 
erklärt haben? 
"os, 
Die betrachtung mufs noch bei dem innern gehalt unseres denkmals verweilen. der dich-—- 
;er wollte eine zu gott hingeneigte, heldenmütige natur darstellen, die erst von leidenschaften 
gestört, dann von den ereignissen verwirrt, ihre bahn verläfst, aber auf den rechten weg 
zurückkehrt. diese erscheinung mochte in den kreuzzügen nicht selten gewesen sein, und 
sich zum gegenstande eines gedichts leicht darbieten. es beginnt mit der jugend des hel- 
den. der knabe wird, mitten in der pracht und bequemlichkeit des väterlichen hofes, 
durch die schilderung bewegt, die ein zurückgekehrter bote von der bedrängten lage der 
in dem heiligen lande kämpfenden christen macht. ein heftiges verlangen treibt ihn für 
das heil seiner seele selbst thätig zu sein. er zieht über das meer, empfängt in Syrien erst 
seine ausbildung, und reift dort zum jüngling heran. bei einem grofsen feste entführt ihm 
ain verkleideter heide sein rofs, er eilt ihm nach, und gewinnt es ihm wieder ab; dieser 
zufällige umstand bringt seine tapferkeit zuerst an den tag. der könig von Jerusalem, 
wenn auch dem unabhängigen manne innerlich abgeneigt, ehrt doch den helden in ihm. 
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