Full text: Graf Rudolf

zurückgekehrten kreuzfahrers gewesen, oder ob er mit dichterischem geiste zusammenfafste 
was er selbst gehört und gesehen hatte, wobei es auf geschichtliche genauigkeit, auch der 
eigennamen, nicht ankam, und früheres mit späterem leicht konnte vermischt werden, 
benutze ich eine stelle unseres gedichts, um eine genauere bestimmung der zeit, in welcher 
es entstand, zu gewinnen. bei beschreibung des deutschen reichstages (D*, 15— 17) heifst 
es nämlich vom kaiser 
man faget joch fwenne in durfte, 
f$ [chenke im ein riche kunic, 
der ift kreftic unde vrumic, 
der trage von ime die cröne. 
das erzschenkenamt war seit der belehnung Heinrichs des stolzen mit Sachsen (1127) von 
Baiern an Böhmen übergegangen. hier ist es nicht ein herzog sondern ein könig, der es 
‚erwaltet, und vom kaiser die krone empfangen hat. erbliche könige herrschten in Böhmen 
erst nach der zeit unseres gedichtes, aber früher wurden einzelne herzoge mit dem gol- 
denen reif vom kaiser begnadigt, doch nur für ihre person: die würde ruhte nicht auf dem 
lande selbst. unter Heinrich I und Otto dem grofsen kommen schon solche könige von 
Böhmen vor. im jahr 1086 wurde Wratislaw durch die gunst Heinrich IV gekrönt, doch 
der glanz dauerte nur wenige jahre, und 1093 folgte ihm sein bruder Konrad wieder als 
herzog. seit dieser zeit geriet die böhmische königswürde in vergefsenheit, bis sie Fried- 
rich I aufs neue dem herzog Wladislaw II mit zustimmung der reichsfürsten im jahr 11538 
feierlich ertheilte. ich glaube dieser Wladislaw II ist in unserm gedicht gemeint: auf 
ihn pafst vollkommen was hier gerühmt wird, dafs er als ein tapferer mann die krone 
von dem kaiser empfangen habe. der könig hat ohne zweifel sein schenkenamt gleich dem 
herzoge versehen, und sich dadurch geehrt gefühlt, wie die könige von Dänemark, die 
sigene krone auf dem haupt, dem kaiser, als zeichen ihrer lehnsunterthänigkeit, das schwert 
vortrugen (Dahlmann geschichte von Dänemark 1, 233. 261). irre ich nicht in der voraus- 
setzung selbst, so muls das gedicht in den fünfzehn jahren, in welchen Wladislaw die 
krone trug, abgefafst sein; im jahr 1173 trat er die regierung an seinen sohn ab, der sich 
wieder Boemorum dux nannte (eine urkunde von ihm in Langs regesten vom jahr 1179). 
noch näher würden wir den zeitpunet bestimmen können, wenn wir wülsten ob der 
dichter einen wirklich gehaltenen reichstag im sinne hatte. vielleicht meint er den, welchen 
der kaiser 1170 zu Nürnberg feierte, ubi regem Boeemig qui offenderat de facili in gratiam 
recepit (auctor appendicis ad Radevic. p. 560), und dann blieben nur drei jahre übrig, in 
welche die abfafßsung unseres gedichts fallen müfste. diese genauste bestimmung wäre der 
sprache des denkmals vollkommen angemefsen. 
Ich will hier die vermutung, dals wir ein ursprünglich deutsches gedicht, keine über— 
tragung oder bearbeitung, vor uns haben, wieder aufnehmen und noch durch einige gründe 
ınterstützen. sie scheint mir nämlich gerechtfertigt durch die freiheit, mit welcher der 
Jichter hervortritt und seine eigene theilnahme an dem helden und an den ereignissen an
	        
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