Full text: Graf Rudolf

am leben, so hätte ich alle meine noth überwunden. warum hat der tod nicht 
nich weggenommen ?’ 
Hier endigen unsere bruchstücke. die erzählung von der jugend des grafen, womit 
sie beginnen, gehört wol in den eingang des gedichts; auch findet sich nirgends eine hin- 
Jleutung auf frühere ereignisse. den inhalt erfahren wir, oder erraten ihn aus dem zusam- 
nenhang, höchstens bis in die mitte des ganzen. noch ist kein knoten gelöst, und man 
ühlt dafs wichtige ereignisse bevor stehen. über das, was uns unbekannt bleibt, will 
ch einige vermutungen äufsern. der tod Bonifaits scheint zunächst neue verwickelungen 
anzuzeigen. wird Rudolf von Irmengart auf dem zug in das abendland abermals getrennt, 
ınd mufs er neue gefahren bestehen? ich kann nämlich nicht glauben dafs sie von Con- 
;tantinopel den weg nach Syrien einschlagen, dort darf Rudolf eine glückliche entwicklung 
ler verhällnisse nicht erwarten. die verbindung mit den heiden war an sich zu unnatür— 
ich, als dafs sie hätte von dauer sein können: mit den christen aber, gegen die er ge- 
<«ämpft hatte, war er für immer zerfallen. die späteren schicksale sind wahrscheinlich 
ıngedeutet durch das gelübde, das er in der noth thut: er verheifst gott bufse für seine 
nissethaten (G*, 24. 25), womit nichts anderes als der abfall von den christen kann ge—- 
neint sein; deshalb hat er auch wol schimpfliche schläge erdulden müfßen. möglich dafs 
ar auf seiner heimkehr nach Rom kommt, und der pabst, der schon dem jüngling theil- 
ıahme gezeigt hatte, ihm auflegt seinen eifer im kampfe gegen die feinde der kirche im 
abendlande zu bewähren. hier konnte er durch seine tapferkeit wieder gut machen was 
er in Syrien verschuldet hatte. die dichtung aber durfte züge aus dem leben des berühmten 
zrafen Robert von Flandern aufnehmen, der nach seiner rückkehr von Jerusalem im jahr 
‚099 für die sache des pabstes stritt (Wilken geschichte der kreuzzüge 2, 23—25). dafs 
Rudolf etwa in einem kloster seine sünden abbüße scheint mir nicht in dem weltlichen 
sinne des gedichts zu liegen: vielmehr wird die taufe, die Irmengart in Constantinopel 
ampfangen hat. die ehliche verbindung der liebenden vorbereitet haben. 
10. 
Schon aus den geretteten bruchstücken läfst sich entnehmen dafs das gedicht eine 
Jarstellung des zustandes gewährt, in welchem Palästina nach eroberung der hauptstadt 
ınd begründung des neuen königreichs sich befand. Jerusalem selbst der sitz des christ— 
ichen königs: die kirche von einem patriarchen versorgt: der beständige, nur durch kurze 
waffenruhe unterbrochene krieg mit.den Sarazenen: der kampf um Askalon, das die heiden 
oben so eifrig vertheidigten, als die christen es zu erobern trachteten, weil beide die wich- 
jigkeit des besitzes erkannten: das wilde volk, das von dem ende des meers zur verthei- 
zung der feste gekommen ist (C*, 23—26), und den Aethiopern, den schrecklichen Azo— 
parten, entspricht, die in der schlacht bei Askalon (im jahr 1099) mit furchtbarem lärm 
hre eisernen geisel schwangen (‘viriı horridi et teterrimi” Albert von Aix 6. 46. Wilken
	        
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