Full text: Deutsche Grammatik (Erster Theil (Erster Teilband))

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5) Die alte Sprache ist, wie man sieht, gar nicht als 
einsilbige der spateren viclsilbigen entgegen;,isctzcn, sondern 
umgekehrt voll» und viclsilbiger, wie die spätere. Loganaha 
zahlt vier Silben, Lahn nur eine einzige; fcidurih dreie, 
Friedrich zweie; der Genitiv fridnrihhes viere, Friedriche 
zweie. Die Flexion vermehrt häufig das Wort um eine oder 
mehr Silben, der Gen. Pl. von boto lautet bvtono, wäh< 
rend heutigestags Boten wie Bote zweisilbig bleibt. Man 
muß sich also so ausdrücken: die alte Sprache gebraucht 
mehr einfache Wurzeln und weniger äußere Bestimmwörtcr, 
ihr Eindruck im Ganzen hat, der Mehrsilbigkeit ungeachtet, 
dennoch größere Gedrängtheit, allein ihre syntaktischen Ueber- 
gange sind nicht so ausgefüllt. Sie stellt ihre Wörter na 
türlich und vollständig auf, die Flexionen sind ihr fast so 
wichtig als die Wurzeln. In der neuen Sprache hingegen 
wird der Idee, folglich der Wurzel, entschiedenes Ueberge- 
wicht gegeben und von der Flexion nur das wesentlichste 
gelassen, bis sie sich allmälig völlig abnutzt. Daher lieben 
wir nach und nach Zusammenziehungen, die Sprache büßt 
an Wohllaut ein, gewinnt aber an Feinheit und Abstraktion. 
Das Verhältniß der Flexion zur Wurzel fängt an roh zu er 
scheinen, da es früher nur sinnlich gewesen; die alte Spra 
che fühlte noch den Ursprung der Flexion, die uranfänglich, 
gleich der Wurzel, wirklich lebte. Die neue sucht und er 
reicht zuweilen den Wohllaut, aber gewöhnlich ans Kosten 
der Deutlichkeit d. h. der sinnlichen. Vor Alters war der 
Wohllaut von selbst da *). 
6) Die Sprache zeigt sich überall haushälterisch, sie wen 
det die kleinsten, unscheinlichsten Mittel auf und reicht da 
mit doch zu großen Dingen hin. Jeder Verlust wird aus 
der Mitte des Ganzen ersetzt, aber zugleich von dem Gan- 
Hiernach wird sich über den Wohllaut r. B. der franiösischcn, 
ncch viel mehr der italienischen Sprache ein Urtheil ergeben. 
Es schiene dem Gang der Geschichte z» widersprechen, daß 
eine romanische Tochter wohllautender, als die römische Mut 
ter wäre. Aber der welsche, schlüpfrige Wohllaut ist ein an 
drer, als der lateinische und großentheils durch die ärgsten 
Zusammenziehungen und Consvnautausstöße entsprungen, etwa 
durch solche, wie in deutschen Eigen- und Ortsnamen. (Dgl. 
trers aus fnuer, droit aus directum, faire aus facere etc ). 
Je mehr sich eine Sprache rusammenjicht, desto lebloser wird 
sie werden. Unsere deutsche selbst heute noch dankt ihre grö 
ßere, innere Lebendigkeit dem Umstand mit, daß sie den Wohl 
klang selten mit der Deutlichkeit zu kaufen gestrebt hat. (Vgl. 
Anm. S. 369.). Sie hat darum mehr Seele und Natur, 
weniger falschen ~ 
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