Full text: Deutsche Grammatik (Erster Theil (Erster Teilband))

XXVII 
vermögen jedoch keinen so reichen Beweis zu führen, weil 
sie keine Geschichte haben gleich dem deutschen Volk. Die Masse 
aller Beweise und Vergleichungen erbringt aber, daß wieder 
um das Sanscrit, wie es in den verbliebenen Denkmälern 
erscheint, auf eine noch vollendetere frühere Sprache deute, 
bis zu welcher gar keine menschliche Untersuchung reicht. 
2) Mit dem, was wir Bildung des menschlichen Ge 
schlechts nennen, geht und steht diese Urvollendung der Spra 
che gar nicht zusammen, ja sie ist ihr reiner Gegensatz. Die 
Bildung der Sprache sucht allmalig ihre Natur aufzuheben, 
fcu h. anders zu stimmen. Wie die eine Seite steigt, sinkt 
die andere. Die alte Sprache ist leiblich, sinnlich, voll Un 
schuld; die neue arbeitet darauf hin, geistiger, abgezogener 
zu werden, sic sicht in den Worten Schein und Zweideu 
tigkeit, denen sie auf alle Weise ausweichen möchte. Jene 
hat großen Reichthum an Wörtern und drückt selbst bloße 
Wendungen mit andern Wurzeln aus, alle ihre Wurzeln 
haben Glieder und Gelenke, die der mannigfaltigsten Bewe 
gung gehorchen, durch ihre Zusammensetzungen dringt noch 
der innere Sinn *); diese gibt eine Wurzel nach der andern 
hin, ihr Ausdruck wird schärfer, bewußter, bestimmter und 
ihre Mittel erscheinen von außen, sie setzt lieber zusammen, 
umschreibt und meint mit dem unumwundenen Worte an 
zustoßen, gleich als schäme sic sich der Nacktheit, z. B. man 
wird heutigestags in gewissen Beziehungen für edler halten 
zu sagen: das ist weniger gut, als: das ist schlechter. Dar 
um streben die Anomalien der Steigerung, sich allmalig auf 
zulösen (S. 233 - 36.). 
3) Man kann die innere Stärke der alten Sprache mit 
dem scharfen Gesicht, Gehör, Geruch der Wilden, ja unserer 
Hirten und Jäger, die einfach in der Natur leben, verglei 
chen. Dafür werden die Vcrstandesbcgriffe der neuen Spra 
che zunehmend klärer und deutlicher. Die Poesie vergeht 
und die Prosa (nicht die gemeine, sondern die geistige) wird 
»ns angemessener. Was ich aber durch durch das leibliche 
Sinken und geistige Aufsteigen der Sprache meine, ist ja 
nicht so zu nehmen, als ob beides der leibliche und geistige 
Vortheil oder Nachtheil in der Wirklichkeit von einander 
getrennt seyn könnten, sondern blos die beiderseitige Richr 
•) Die Eigennamen der Leute, Setter, Thiere, Pflanzen haben 
noch Bedeutung die spater ausstirbt. Man bedenke die Leben 
digkeit dcS Dualis, Mediums, der mehrfachen Casus und ihrer 
leiseren Beziehung aus die Präposition; selbst die Hülfswirter 
bedeuten etwas. Die neue Sprache hat eine Menge adstracter 
Formen und Gebrauche.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.