Full text: Deutsche Grammatik (Erster Theil (Erster Teilband))

XXVI 
Einige Hauptsätze, die ich aus der Geschichte 
der deutschen Sprache gelernt habe. 
i) Da die hochdeutsche Sprache des dreizehnten Jahr, 
Hunderts edlere, reinere Formen zeigt, als unsere heutige, 
die des achten und neunten wiederum reinere, als des drei 
zehnten, endlich das gothische des vierten oder fünften noch 
»ollkommnere; so folgt, daß die Sprache, wie sie die deut, 
sehen Völker im ersten Jahrhundert geredet haben, selbst die 
gothische übertreffen haben werde. Man könnte eine förm 
liche Berechnung über den progressiven Untergang der Fle 
xionsfähigkeit anstellen. Die neuhochdeutsche gesammte Sub- 
stantivdeciination reicht mit sechs Endungen aus (e. en. cns. 
er. ern. es), die althochdeutsche hat ihrer 25 (a. e. en. eo. 
eon. eono. es. i. ien. im. in. io. iono. iu. iun. 0. om. on. 
ono. u. um. un. ir. iro. irum), die gothische 40 (a. ai. 
ais. am. au. ans. e. ei. eim. ein. eins. eins. eis. i. ja. 
jan. jane. jans. je. jis. jins. im. ins. jo. jvn. jons. jono. 
ju. jus. iwe. 0. om. vn. one. ono. vns. u. us. uns. 6.). 
Richtiger aber würde man die einzelnen Fälle, in denen 
jede dieser Endungen gebraucht wird, zählen, weil z. B. das 
mittelhochdeutsche e in Hirte, Hane, erde stets einen andern 
Grund hat, folglich mehr, als im Neuhochdeutschen ange 
schlagen werden muß. Die gothische Sprache vermag in 15 
Declin. etwa 120 Casus zu bezeichnen, unsere heutige kaum 
ZV. In den alten Zeiten, da noch unser Wohnsitz in Asien 
gewesen, muß die Aehnlichkeit mit dem Sanscrit/bas schon 
lange als heilige Sprache stillsteht und von dem die fortle 
benden indischen Mundarten ungeheuer abgewichen sind, viel 
näher lind höchst bedeutend gewesen seyn. Das können wir 
mit ganzer Sicherheit schließen, von der individuellen ehma- 
ligen Verschiedenheit wissen wir nichts mehr. Auch die an 
dern Stamme, z. V. die slavischen müssen ebenso schließen,
	        
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