Full text: Deutsche Grammatik (Erster Theil (Erster Teilband))

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verständlich, weil wir uns bei dem neuen Wort nothwendig 
seiner eigentlichen, sinnlichen Bedeutung erinnern; in diesem 
Licht sind mir Zeugefall für Genitiv, Gcbfall für Dativ und 
alle ähnliche Verdeutschungen beständig vorgekommen, die 
Abstraction, folglich der wahre Begriff, geht dabei jedes 
mal verloren. Selbst Sprachlehre für Grammatik klingt 
steif und falsch gegen das unschuldige Original *). Nach 
dem in neueren Zeiten immer weiter umgreifenden Übeln 
Grundsatz, die Dinge zu zählen, statt sie zu benennen, hat 
man auch für einen guten Ausweg gehalten, statt der be 
denklichen neuen Wörter, den Nom. als den ersten Fall, 
Genitiv als den zweiten und so fort die übrigen zu bezeich 
nen. Bei dem Gebrauch dieser Zahlen muß man sich daher 
stets gegenwärtig erhalten, in welcher Rangordnung die ein 
zelnen Casus aufgestellt worden sind, was zu offenbaren 
Irrungen Anlaß gibt, zudem man vielleicht mit Grund Ein 
wendungen wider die bisherige Folge der Casus machen 
könnte, wo nicht die verjährte Gewohnheit dafür stritte, so 
daß wir uns wenigstens in der blos historischen Untersuchung 
noch lange damit behelfen können. Für die Beibehaltung 
der lateinischen Benennungen entscheidet auch eine andere 
gar nicht zu verachtende Bequemlichkeit. Abstractionen, die 
durch die Länge der Zeit allgemein gangbar geworden sind, 
nähern sich insofern den einfachen Wurzelbegriffcn wieder, 
als man aus ihnen mehrfache Ableitungen ziehen darf, so 
kann ich recht gut sagen: eine grammatische, eine gramma- 
ticalische Bemerkung, das accusative, conjuncrivc Verhältniß; 
hingegen eine sprachlchrliche Bemerkung, das klagfallige, 
verbindendweisliche Verhältniß würde unausstehlich und ganz 
ungenießbar seyn; in solchen Fällen haben sich dann die 
Puristen mit Umschreibungen zu schleppen **). Ausländische 
*) Adelung wählte sogar den hochniüthigcr aussehenden als ge< 
meinten Titel »umständliches Lehrgebäude der deutschen Spra« 
che". Wie viel Pfeiler, Balken und Bänder mangeln in die« 
fkM Bau, daß er kaum stehen würde, gälte cs seine sinnliche 
Errichtung. Auch kann man die Sprache nicht lehren, son 
dern nur daran lernen. (ko. heißt das gram 
matische Studium. 
•*) ES ist überhaupt ein Nachtheil, daß man abstracte Begriffe, 
wofür die Sprache langst Worte gehabt, späterhin aufs neue 
genauer jusammensetzen will, wiewohl viel dergleichen aUmälig 
eingeführt worden ist, j. B. das unbehülstiche Wort: Jahr 
hundert. Wie bester das lateinische lecuiuw, und hollän 
dische eeuw, welches im gothischen aiw und althochdeutschen 
«o vorhanden war; früher gebrauchten wir auch wo roll in 
gleichem Sinn, (so noch: die Kinder dieser Welt).
	        
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