173 Erläuterung der altnordischen Subst. Declin.
c) Vergleicht man den altnordischen mit dem hochdeutschen
Umlaut, so ergibt sich ein wesentlicher Unterschied. Die
ser wird niemals durch das u, sondern lediglich durch
das i erzeugt, ist aber überall möglich, wo die Endung
i auf den Vocal a der Wurzel folgt. Jener zeigt sich
in solcher Allgemeinheit nur bei der Einwirkung des u
auf die Wurzel a und erfolgt aus der Endung i blos
in einigen Fallen der dritten männlichen Declination,
wahrend er in allen andern, unter scheinbar ähnlichen
Umständen, nicht statt hat. Diese Einschränkung wüßte
ich nur aus der Eigenthümlichkeit der dritten Declina
tion überhaupt zu erklären, die in ihren Endungen die
meiste Abwechselung der Vocale aufstellt, also auch deren
Rückwirkung auf die Wurzel am leisesten empfindet. —
Darin stimmen beide Sprachstämme zusammen, daß der
Umlaut ursprünglich und hauptsächlich auf das a als
den reinsten aller Laute gerichtet ist, welcher durch äußere
Berührung am leichtesten verstimmt und getrübt wer
den Mußte.
Die altnordische Declination, allgemein betrachtet, kommt
der gothischen am nächsten und ist zwar unvollkommener
als diese, aber noch vollkommner, als die althochdeutsche be
schaffen. Namentlich haben sich Wörter der dritten Declina
tion viel besser, und die Cvnsvnantausgange der starken For
men fester erhalten. Das, worin die althochdeutsche Sprache
hier dem Gothischen verwandter ist, sind die in ihr voll
kommner verbliebenen Formen der schwachen Declination und
des Dativs Pl. überhaupt. Im Nordischen offenbart sich
ein geringeres Gefühl für diesen Casus *); eine Bemerkung,
die auf die gänzliche Verkennung seiner Formen in den heu
tigen nordischen Sprachen allerdings Licht zu verbreiten scheint.
•) Der gothische Dat. Pl. des Subst. und Adject. bietet sechs
verschtedene Endungen dar: am, um, im, o m, e i m, a j m;
der nordische für alle diese Fälle das einzige um. DaS Alt-
Hochdeutsche zählt aber noch viererlei Endungen; um, im,
v m, e m.