Full text: Deutsche Grammatik (Erster Theil (Erster Teilband))

Erläuterung der gothischen Substantivdeclination. 147 
Vergleichung unseres Falls im Adjectiv, wo er eben so 
fest auf ai lautet, entkräftet werden (s. auch Erl. 7. zur 
alchochdeulschen Declination). 
6) Sollte die schwache Deck. nicht^auch auf frühere, voll- 
kommncre Formen deuten? Erwägt man, daß der Gen. 
Sing., Nom. und Acc. Pl. des Masc. und Femin. auf s, 
der neutrale Pl. auf a und der allgemeine Gen. Pl. auf e und 
v ariegehen; so zeigen sich lauter Endungen, gleich denen 
der starken Decl. und das zwischengetretene n scheint nicht 
eigentlich mit zu decliniren. Es wäre nur Veranlassung 
zu früherer Abstumpfung der wahren Declinationscndungen 
(die sich in andern Mundarten noch mehr und im Alt- 
Hochdeutschen mit Ausnahme des Gen. Pl. auf 0 völlig 
verloren haben) geworden. Das Wesen der schwachen 
Declination wäre hiernach überhaupt so zu fassen: sie ist 
eine durch ^wischenschiebuna des n früher entartete, an 
fänglich auch vollständigere Declination. Nun würde sich 
aufhellen, warum sich in andern Sprachen der Unterschied 
zwischen starken und schwachen Formen zwar nicht so be 
deutend zeigt und nicht so folgerecht entwickelt, als in den 
Germanischen, aber in Spuren solcher Wörter, die glei 
cherweise das n einschalten, allerdings vorhanden ist. Ja 
diese Spuren nehmen zu an Wichtigkeit, da sie häufig 
dieselben Wörter betreffen. So ist das gothische namo, 
Gen. namins, Pl. namna ganz das lateinischenomen, 
Hominis, Nomina; das altdeutsche samo, samin, samun 
wieder das lateinische kamen, leminis, kemina. nur daß 
in letztern Wörtern das n schon im Nom. eingefiossen ist. 
Noch bestimmter gehören die flavischen Neutra auf me 
hierher, welche in allen Casus, außer dem Nom. das n 
einschieben und meistens unbelebte Dinge aussagen; nament 
lich finden sich wieder die beiden angeführten Wurzeln. 
Name ruß. imia Gen. imeni, Pl. imemj krain. IMS. 
imena. imena; polnisch inaie, imienia, imiona; 
altböhmisch gme, gmene, gmena. Ebenso russisch sjemia? 
fCstttt. ferne, GeN. semena, Dat. semenu, Dat. Pl. 
semenam.— In den meisten deutschen Sprachen ist frei 
lich das eingeschobene n hernach zur wirklichen und ganz 
einförmigen Endung geworden. 
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