Full text: Kasseler Dichterbuch

Die Ernte war da, und das Wetter war schön. 
Mit Sichselsang und Sensengetön, 
Zog wieder die ernste Königin, 
Die Arbeit, durch die Felder hin. 
Und wer zwei Arme mochte rühren, 
Ließ sich zu ihren Fahnen führen. 
Das Dorf lag still. Am Berghof nur, 
Da trat ein Fremder über die Flur. 
Großvater rief wie immer: „Herein!" 
And knurrte im Stuhle: „Wer mag das fein?" 
Cs war der Tod. — „Mach dich bereit!" — 
„Ach, heute! — heut' hab' ich keine Zeit. 
Im Feld find alle, Mann für Mann. 
Bis wieder sie kehren, so lange halt an." — 
Der Tod, der schüttelt mit finsterm Gesicht: 
„Ich warten, — das ist meine Sache nicht!" — 
Der Alte stampft mit dem Krückstock: „Nein! 
Der Enkel will erst gesegnet.sein, 
Und guten Rates bedarf mein Sohn. 
's find Kinder, weißt du!" — „Das kenne ich schon! 
Dein Sohn ist alt genug. Wir gehen!" — 
„So laß mich ein volles Fuder noch sehen! 
Das Korn, es ist fo prächtig gediehen, 
Heut' fahren fie's ein. — Dann will ich ziehen." — 
Da lachte höhnisch der wilde East 
Und ließ sich nieder zu kurzer Rast. 
Cie lauschten lange, die zwei, und bang. 
Dann kam's die Straße wie Schicksalsklang: 
Wagengerassel, Peitschenknall, 
Rossegestampfe, Stimmenschwall. — 
Sanft faßte der Tod den Alten an 
Und führte ihn zum Fenster heran.
	        
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