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werden mir unvergessen bleiben. Wie ferne liegen sie
nun schon, und wie kräftig ist ihre Erinnerung.
Wenn irgend etwas aus der Unmittelbarkeit des
Eindrucks schnell untertaucht in den Wogen der Erinne
rung, um sich uns in dauernderer und herrlicherer Form
wieder zu zeigen, so ist das ein Zeichen davon, daß
das Erlebnis tiefer Art war. Nur in der Erinnerung
leben wir. Nur die Erinnerung ist reines, völlig un
gestörtes, ganz harmonisches Leben, weil durch das
Fehlen eines den physischen Menschen räumlich be
drohenden Objekts das Erlebnis erst zur wahren Gel
tung kommt.
Ich sehe Dich wieder vor mir mit der blaßgrünen
Kette um den edelgeformten Hals. Blaßgrüne Steine
— Perlen der Erinnerung.
Wir sitzen auf dem Schiffchen am Ufer des Mains.
Ein frischer Wind bringt Whlende Erquickung. Lustig
flattert das Fähnlein am Maste. Quer vor uns schiebt
sich die Brücke über den Fluß. Mit bewußter Würde
schauen drüben die Türme des Domes über das plebejische
Häusergewirr hinweg. Im hellen Sonnenglanz gleitet ein
Kahn vorüber, die Ruder erheben sich im Gleichtakt aus
dem Wasser in die Luft und fallen aus der Luft
wieder in das Wasser zurück. Wie flüssiges Silber
fließt und sprüht es von ihnen herab: eine Königin
wirft tausendfach blitzende Diamanten in die Flut. Und
wir trinken billigen Apfelwein und tauschen kostbare
Worte. Kostbare Worte — Perlen der Erinnerung.
Abends. Wir teilen das Mahl. Du brichst das
Brot. Ich netze meine Lippen an Deinem Glase. Wir
sprechen nicht viel. Aber was unausgesprochen um
und zwischen uns ist, bedeutet mehr als Worte. Heiliges
Schweigen — Perlen der Erinnerung.
Und dann im Theater. Es wird irgend etwas
gespielt, Oper oder Trauerspiel, Lustspiel oder Operette,
Schauspiel, was liegt daran?! Im Zuschauerraum
links und rechts, vor uns und hinter uns, sitzen Men-