Karl Waldemar Nolte.
Seele.
Meine Seele ist krank und sehnt sich fort
All' die Freunde, die die Arme ausbreiten, sie zu
empfangen,
Sie werden nichts fassen, denn ihr ist keine Ruhe ge
geben :
Arme, arme Seele!
Über blendende Marmorbecken
Und spiegelnd-kriftallne Schalen,
Über funkelnden Saphir
Sieht Spinnen sie kriechen,
Graue, langbeinig' und häßlich behaart'.
Wenn junge Bräute zum Altar schreiten,
So erblickt sie klagende Weiber
In flatterndem, schwarzem Schleier,
Verfolgt von grinsenden, skelettenen Männern —
Auf hohlen Menschenknochen pfeifen sie hämisch
Und dengeln die Sense.
Arme, arme Seele, die du
Nicht trinken kannst mit geschlossenen Augen
Und der der Schierlingsatz
Am Boden des Bechers nun nimmer entgeht.
Irgendwo in das jubelnde Schluchzen süßer Geigen
Und in den frohen Klang festtäglicher Hörner
Schleicht sich der harte Ton des einsamen Glöckleins,
Das an Tränen gemahnt und ewigen Abschied.
Armselige Seele,
So eilst du voraus
Wie der Schatten dem Menschen
Und die feurigen Rosse dem Wagen.