Full text: Kasseler Dichterbuch

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Tunis. 
In Tunis, im Araberviertel war 
Ich ernst, mich windend durch das Volksgedränge, 
Betäubt vom Lärm unlaut'rer Händlerschar 
Und arg belästigt von der Bettler Menge. 
Bald einen golddurchwirkten, bunten Schal, 
Bald einen Fez, bald Fächer, Dolch und Degen 
Und falsche Ambraketten ohne Zahl 
Hielt man zudringlich immer mir entgegen. 
Da dachte ich: Wie schmutzig und wie roh 
Ist doch das Volk, von dem du hier umgeben, 
Marktschreierisch und nur des Vorteils froh 
Und edler Regung bar das ganze Leben. — 
Da plötzlich teilte sich der Menschenschwarm 
Und bildete voll Ehrfurcht eine Gasse, 
Und sieh, durch diese, einen Korb am Arm, 
Ein blindes Mädchen kommt herab die Straße. 
Fortwährend rufend: „Achtung, ich bin blind; 
Laßt ihren Weg der Blinden ohn' Geleite!" 
Wie einem hohen Gaste gab geschwind 
Ein jeder Raum und sprang behend zur Seite. 
Wenn auch so mancher einen Stoß erhielt, 
Den Grund erkennend, blieb er still und heiter, 
Das Ungestüm zu dulden, gern gewillt, 
Schritt nur in freier Bahn die Blinde weiter! 
Ein Geldstück glitt in ihre braune Hand; 
Sie nahm es an, das Haupt mir zugewendet, 
Und lächelte vergnügt, und dies empfand 
Ms Schönstes ich, was mir der Tag gespendet.
	        
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