Full text: Kasseler Dichterbuch

Freudig, zwischen Kerkergittern 
Hat er sie entstehen seh'n, 
Angstvoll sah er sie erzittern 
Bei des rauhen Sturmes Weh'n. 
Er erbat des Himmels Segen, 
Ihr zu wahren jedes Blatt, 
Flehentlich bat er um Regen, 
Schien sie trocken, welk und matt. 
Sie, die ihm das Glück gespendet, 
Die aus düst'rer Mauerklust 
Einen Strahl der Freude sendet, 
In der Freiheit dunkle Gruft. 
Daß ein Engel sie bewache! 
Reißt der Sturm die Blüten fort, 
Dann verschone er das schwache 
Blümlein an der Mauer dort. 
Der Gebirgssee. 
Es liegt ein kleiner See im Hochgebirge, 
Von steilen Felsenwänden rings umgeben; 
Vereinzelt streben nur von seinen Ufern 
Hochstämm'ge Zirbelkiefern auf zum Himmel 
Und malen sich in seinen dunklen Fluten. 
So deutlich,' wie in einem schwarzen Spiegel. 
Nur selten fällt ein Strahl der goldnen Sonne 
Durch Felsenklüfte wärmend auf das Wasser 
Und gleitet glitzernd über seine Fläche, 
Als scheute er sich, tiefer einzutauchen. 
Geheimnisvoller See! Welch' einen Abgrund 
Deckst du mit deiner stillen glatten Schönheit, 
Dem starr verschloss'nen Menschenherzen ähnlich, 
Das seine Tiefen stolz der Welt verhüllet 
Und manchmal nur den Strahl des Götterfunkens 
Im dunklen Augenpaare läßt erglänzen.
	        
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