Full text: Kasseler Dichterbuch

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Eine drückende, schwere Luft senkte sich auf das 
Fahrzeug herab. Das goldene Licht am Himmel 
und der blitzende Widerschein auf dem Wasser er 
losch. Das Weib hob den Kopf und blickte umher. 
Sie hob wie beschwörend die Hand, als könnte sie 
das Wetter meistern, wie sie das Schicksal meistern 
wollte. Die Wellen rauschten und spritzten und leuch 
teten nicht mehr. Sie gurgelten und rollten und 
waren dunkel wie die Nacht. Wild und hoch kamen 
sie von ferne angebraust, weil der Sturmwind sie 
jagte. Die beiden Alten sprachen nicht. Sie arbeiteten 
und wehrten sich gegen das drohende Unheil. Die 
Ruder griffen tief ein, und das Boot drängte, ge 
hoben und geschoben von den Wogen, dem Lande 
zu. Die Wellen schäumten und tosten vorüber wie 
wilde Horden und schossen Wasserstrahlen über das 
Leinentuch, datz es sich feucht Um die Toten schmiegte. 
Mit zusammengebissenen Lippen arbeitete das Paar 
und kämpfte mit dem wehrlosen Schifflein gegen die 
übermächtigen Wassermengen. 
„Land, Land!" rief das Weib, und stand hoch 
aufgerichtet am Steuer. Ihre Haare flatterten auf 
gelöst im Winde, und ihr ausgestreckter Arm deutete 
nach dem schroffen Gipfel, der schemenhaft aus dem 
einförmigen Grau hervortrat. Aber ihr Jauchzen 
ging in einem Schrei unter. 
Eine mächtige Woge schlug dem Manne das 
Ruder aus den Händen und stürzte über den Kahn 
hinweg. Sie ritz das Leinen auf und trug die drei 
Jünglingsleiber mit sich fort. Mit wollüstigem 
Toben nahm sie das herrische Meer an sich. Sie 
kamen nie zurück in die Heimat Und zur letzten Ruhe 
droben auf dem Berge über der Küste. Das Schick 
sal hatte es nicht gewollt. 
Ihr Grab sollten die Fluten sein, als wären 
sie wie Helden gestorben.
	        
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