Full text: Kasseler Dichterbuch

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„Sie waren die Kühnsten und Stolzesten", sagte er 
und deutete auf die ruhenden Söhne. „Sie waren 
hart und frei und trotzten fremder Macht. Sie 
hätten als Helden im Meere sterben müssen." 
„Das Schicksal wollte es nicht," entgegnete das 
Weib und starrte in die Ferne. „Es wollte nicht 
einmal, daß sie im heimischen Boden ruhten, aber 
wir haben es bezwungen." 
Mit einer unruhigen Gebärde wandte sich der 
Mann und blickte zurück. Die See zwischen Irland 
und Wales ist wie ein heimtückisches, wildes Tier, 
das plötzlich auffährt und furchtbar wütet. 
„Das Schicksal läßt sich nicht zwingen," sagte 
er und bllckte nun vorwärts nach der Küste. Aber 
noch keiner der stolzen, steilen Felsen von Wales wurde 
sichtbar. Keiner der kahlen Berge reckte sich Halt 
gebietend dem Wasser entgegen. 
„Nun werden sie doch hoch oben über den 
Tälern bei dem blauen See von Tecwyn schlafen," 
frohlockte das Weib und zog mit der Hand seltsame 
Kreise durch die Luft. 
„Und die Leute von Penrhyn und Tan-y-bwleh 
werden die in den Fels gehauenen Stufen empor 
steigen und an ihren Gräbern beten. Das Meer 
wird von ferne heraufgrüßen, Und die Dohlen auf 
dem Gestein schreien, wenn sie die 'Leichname in der 
offenen Gruft wittern. Dann wächst die Heide über 
den Ruhestätten, und jede ihrer Blüten ist ein Auge, 
das sich emporreckt und den Ruhenden Nachricht bringt 
von dem Meer, das es leuchten sieht, von den 
Kämpfen und Siegen auf den Schiffen. Und die 
Schafe gehen blökend durch die tiefe Einsamkeit an 
ihnen vorbei." 
„Die Sonne verschlägt," sagte der Mann. 
„Wir werden sie um Mitternacht begraben, um 
Mitternacht, wenn der Mond über dem Meere steht 
und die Felsen wunderbaren Riesen gleichen."
	        
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