Es ist ein grauer Novemberabend. Ein feucht
kalter Nebel näßt die öden Straßen der Vorstadt.
Ich eile durch die langen, kahlen, gleichmäßig gebauten
Häuserreihen, der Großstadt zu; die trostlose Einsam
keit hier draußen preßt mir das Herz zusammen: Nur
fort aus dieser erdrückenden Stille, fort aus diesem
Grab alles sonnigen Lebens und Glücks! — Vor mir
biegt ein junges Weib aus einer engen, dunklen Sei
tengasse in die Straße ein. Sie sieht mich mit großen,
kranken Augen an, aus denen das Leid nur zu deut
lich spricht; ängstlich und suchend gleiten ihre Blicke
umher. — Ach; du armes, gefallenes Kind! Wie
eine Wölfin nach Nahrung, so streifst du abends durch
diese kalten, finstern Straßen, der rauhe Herbststurm
zerzaust dein seidenweiches Blondhaar, der Regen peitscht
dein schmales, kummervolles Gesichtchen mit dem er
gebenen Lächeln auf den Lippen, die Kälte rötet deine
bleichen Wangen. Du suchst nach Nahrung, du suchst
nach Liebe; du suchst nach Frieden und längst verlore
nem Glück: du kannst ja jene eine Stunde deines
Lebens nie vergessen, damals, in den Armen des ein?
ziggeliebten Mannes .... Doch, da wurde dir die
Wonne des höchsten, seligsten Glücks zur Schande. —
Alles, was damals hehr und heilig war, das ist jetzt
gemein, voll Sünde und Schmutz; was dir einst die
höchste Wonne war, ist dir heute zum Ekel. — Aber
täglich mußt du deine Abscheu aufs neue überwinden,
um dein armseliges Leben zu fristen. — Du gesellst
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