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Und vor der Allmacht Sprache, göttlich klar,
Verstummt des Menschenherzens zagend Bangen,
Wie klein, wie nichtig wird die große Schar
Von Sorgen, Wünschen, Hoffen und Verlangen.
Nichts fühlen wir als Frieden, tief und rein,
Wie ahnend Freuen, einst daheim zu fein.
Lenz.
War milder einst des Lenzes Luft?
Und holder seiner Blüten Duft?
War in der Vögel Frühlingssang
Denn einst ein anderer, schön'rer Mang?
War goldner denn der Sonnenschein?
Und weckte er in Flur und Hain
Vom Schlaf nach langer Winternacht
Rasch, kampfeslos die Frühlingspracht?
Ach nein, auch einst währt' es wohl lang,
Bis Lenzesluft den Sieg errang,
Bis Nachtigall und Amsel schlug
Und Blüten jedes Sträuchlein trug.
Doch hoffnungsfroh war's junge Herz,
Sah Lust und Freud' und Spiel und Scherz
Zin Kampfessturm der Lenzeszeit,
Weil's glaubt an Erdenseligkeit. —
was blieb mir noch?
Was blieb mir noch nach jenen Stunden,
So todesbang, voll bitt'rer Qual,
Als Leid ins Herz schnitt tiefe Wunden
Und Liebe sprach zum letztenmal?
Nolle, Kasseler Dichterbuch.
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