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karbatschte ihn so artig aus seinem Pelze heraus, daß es eine wahre Lust
und ein rechtes Wunder zu sehen war.
Zufall und gutes Glück machen oft manchen Fehler wieder gut.
Davon erlebte ich bald nach diesem ein Beispiel, als ich mitten im tiefsten
Walde einen wilden Frischling und eine Bache dicht hintereinander her
traben sah. Meine Kugel hatte gefehlt. Gleichwohl lief der Frischling
vorn ganz allein weg, und die Bache blieb stehen, ohne Bewegung, als
ob sie an den Boden festgenagelt gewesen wäre. Wie ich das Ding näher
untersuchte, fand ich, daß es eine blinde Bache war, die ihres Frischlings
Schwänzlein im Rachen hielt, um von ihm aus kindlicher Pflicht fürbaß
geleitet zu werden. Da nun meine Kugel zwischen beiden hindurch
gefahren war, so hatte sie diesen Leitzaum zerrissen, von welchem die alte
Bache das eine Ende noch immer kaute. Da nun ihr Leiter sie nicht
weiter vorwärts gezogen hatte, so war sie stehen geblieben. Ich ergriff
daher das übrig gebliebene Endchen von des Frischlings Schwänze und
leitete daran das alte, hilflose Tier ganz ohne Mühe und Widerstand
nach Hause.
So fürchterlich diese wilden Bachen oft sind, so sind die Keiler doch
weit grausamer und gefährlicher. Ich traf einst einen im Walde an, als
ich unglücklicherweise weder auf Angriff, noch Verteidigung gefaßt war.
Mit genauer Not konnte ich noch hinter einen Baum schlüpfen, als die
wütende Bestie einen Seitenhieb nach mir that. Dafür fuhren aber auch
ihre Hauer dergestalt in den Baum hinein, daß sie weder im stände
war, sie sogleich wieder herauszuziehen, noch den Hieb zu wiederholen.
Ha! ha! dachte ich, nun wollen wir dich bald kriegen. Flugs nahm
ich einen Stein, hämmerte noch vollends damit darauf los und nietete
die Hauer des Keilers dergestalt um, daß er ganz und gar nicht wieder
loskommen konnte. So mußte er sich nun gedulden, bis ich vom
nächsten Dorfe Karren und Stricke herbeigeholt hatte, um ihn lebendig
und wohlbehalten nach Hause zu schaffen, was auch ganz vortrefflich von
statten ging.
81. Feigheit eines Tigers.
Der Tiger ist eines der gefährlichsten Raubtiere; denn sein Blutdurst
ist unersättlich. Aber so sehr man auch Ursache hat, ihn zu fürchten, so
fehlt es doch nicht an Beispielen von seiner Feigheit. Einst hatte sich in
Ostindien eine Gesellschaft an dem Ufer eines Flusses unter dem Schatten
eines Baumes niedergelassen, um von einer kleinen Wanderung auszu
ruhen. Alles scherzte und war fröhlich, als plötzlich aus dem nahen
Dickicht ein Tiger hervortrat und sich zum Sprunge auf die Gesellschaft
anschickte. Alles drängte sich ängstlich hinter den Baum; niemand wagte
zu fliehen und noch weniger auf das furchtbare Tier loszugehen. Da
plötzlich, in demselben Augenblicke, als der Tiger auf die versammelten
Menschen lossprang, spannte eine Dame unwillkürlich ihren Sonnenschirm
auf und hielt ihn dem Raubtier entgegen. Der Tiger, erschreckt, kehrte
sogleich um und verschwand zwischen den dichten Stauden des nahen
Schilfes, dessen Bewegung noch weithin die Schnelligkeit seiner Flucht