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74. Littauer und Masuren.
1. Die Littauer wohnen im nordöstlichen Teile von Ostpreußen;
ihre Zahl hat sich gegen früher bedeutend vermindert, so daß sie dein
Aussterben entgegengehen. Sie sind ein kräftiger Menschenschlag, schlank
gewachsen. Als Krieger thun sie sich durch Mut und Tapferkeit hervor,
und ihrem Könige sind sie in Treue zugethan. Sie sind geborene
Kavalleristen und dienen gern bei dem Dragoner-Regiment in Tilsit,
welches größtenteils aus Freiwilligen besteht. Die Pferdezucht in Littauen
ist berühmt. Dort befindet sich das Trakehner Gestüt. Jeder Bauer
hält soviel Pferde, als er nur halten kann, und pflegt sie mit Sorgfalt.
Sie werden bis nach Belgien, Italien und Frankreich verkauft und zum
Teil bei der Kavallerie eingestellt.
Die Männer,.tragen grobwollene Röcke von dunkelgrüner Farbe, so
daß sie durch die Übereinstimmung ein militärisches Aussehen haben. Auch
den Frauen ist eine besondere Tracht eigen. Die Sprache ist von der
deutschen und polnischen ganz verschieden. Die Littauer sind große Freunde
des Gesanges und besitzen eine Menge schöner Volkslieder, in ihrer Sprache
Dainos genannt, die sie bei Festen, Kirchfahrten und gemeinsamen Arbeiten
singen.
2. Die Masuren sind ein Zweig der Polen. Sie sind kein so
kräftiger Menschenschlag wie die Littauer, sondern klein von Statur, aber
gewandt und flink. Sie lieben ihre Seeen, ihre Wälder und ihre Sprache.
Unter den Seeen sind die größten: der Spirding-, der Löwentin-
und der Mauer-See. Durch die Seeen und die Wälder an ihnen
bieten viele Strecken einen recht anmutigen Anblick. Aber das Land ist
meistenteils sandig und daher wenig fruchtbar. Daher nähren sich viele
Bewohner nur kümmerlich. — Der König steht bei den Masuren in hohen
Ehren. Am Sonntag Nachmittag versammelt sich jung und alt, besonders
die erwachsene Jugend, in der Schule. Da wird gesungen, ein Abschnitt
der Schrift vom Lehrer erklärt und aus Missionsberichten und Erbauungs
büchern vorgelesen.
75. Das Amen der Steine.
1. Von Alter blind, fuhr Beda dennoch fort,
zu predigen die neue frohe Botschaft.
Von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorfe wallte
an seines Führers Hand der fromme Greis
und predigte das Wort mit Jünglingsfeuer.
2. Einst leitet' ihn sein Knabe in ein Thal,
das übersä't war mit gewalt'gen Steinen.
Leichtsinnig mehr als boshaft sprach der Knabe:
Ehrwürd'ger Vater, viele Menschen sind
versammelt hier und harren auf die Predigt.
3. Der blinde Greis erhub sich alsobald,
wählt' einen Text, erklärt' ihn, wandt' ihn an,
ermahnte, warnte, strafte, tröstete
so herzlich, daß die Thränen mildiglich