Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

findet sich auch in ganz Norddeutschland, so weit der Boden aus 
diesen losen Massen besteht, vom Meere bis an die Gebirge von 
Mitteldeutschland ein schönes, goldfarbiges, durchsichtiges und 
durchscheinendes, leichtes aber doch ziemlich hartes und daher einer 
schönen Politur fähiges Mineral, das man Bernstein genannt 
hat, weil es von allen umherliegenden Steinen der einzige brenn 
bare ist. 
Die Halbinsel Jütland und die dänischen Inseln, welche deutlich 
nur eine Fortsetzung des norddeutschen Bodens bilden, enthalten 
dasselbe Mineral auf völlig gleiche Weise. 
Da nun an allen Meeresküsten die lockeren Erdmassen, Sand, 
Lehm und Mergel, von den aufbrandenden Wellen benagt, zum 
Absturze gebracht und dann von der steten Bewegung des Wassers 
geschlemmt werden, so ziehen sich die leichten Lehmteilchen als 
eine Trübung des Wassers nach allen Seiten und fallen schliesslich 
langsam als Schlamm zu Boden, der Sand bildet den Strand und 
wird auf dessen Abhang durch den Rückzug der Wellen geebnet, 
die Steine bleiben am oberen Rande des Sandes liegen Von den 
Steinen bleiben die leichtesten zu oberst, und der Bernstein, welcher 
fast schwimmt, wird daher von den Besuchern des Strandes sehr 
leicht gefunden, auch wenn das gesamte Erdreich nur wenige 
Stücke enthält. 
In den ältesten Zeiten der Besiedelung des norddeutschen 
Bodens war aber vorzugsweise die Küste bewohnt, weil Fische 
und besonders Muscheln und Krabben leichter zu fangen und zu 
zubereiten sind als die flüchtigen Tiere des Waldes. Daher kannten 
auch schon die allerältesten Bewohner Norddeutschlands den Bern 
stein mit seinen Eigentümlichkeiten. 
Während nun der Diamant und die anderen Edelsteine äusserlich 
unscheinbar aussehen und ihrer Härte wegen nur durch sehr ge 
steigerte Kunstfertigkeit poliert werden können, auch durch ihre 
Kleinheit, selbst wenn sie lose im Sande liegen, sich der Aufmerk 
samkeit entziehen, bot sich der Bernstein den wildesten Urein 
wohnern gleichsam von selbst zum Schmucke dar und wurde so 
der älteste unter den zum Schmuck verwendeten Edelsteinen. 
Die gebildeten Völker, welche mit den alten Bewohnern 
unserer Küsten in Berührung kamen, namentlich die Griechen und 
Römer und das seefahrende Volk der Phönicier, hatten durch 
dieses Produkt, durch welches ihnen die deutschen Küsten am 
frühesten bekannt wurden, einen willkommenen Handelsartikel 
zum Tausch, hier mit den wilden Deutschen, dort mit den üppigen 
Völkern des Orients. 
Ebenso wie die spanischen Seefahrer des Mittelalters durch 
Jagd nach Goldstaub von einer Küste zur andern getrieben wurden, 
ebenso wie die Diamanten Wohnplätze im Innern Brasiliens ge 
schaffen haben, ebenso wie die Entdeckung von Goldwäschen in 
Kalifornien und Australien grosse Landstriche dem Handel und 
der Kultur geöffnet hat, ebenso ist es auch der edle Bernstein
	        
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