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Menge Schnee; er gefriert an seiner äußern Rinde und schmilzt nur teil
weise im heißen Sommer an der Oberfläche. Diese Berge bieten daheo
zu allen Jahreszeiten das prächtigste Schauspiel dar, besonders wenn bei
Sonnen-Auf- und Untergang das ganze Land im Schatten liegt und nur
diese höchsten einzelnen Schneekuppen, von den Sonnenstrahlen vergoldet,
in unbeschreiblicher Herrlichkeit einsam hervorragen und glühen; man nennt
dies deshalb auch das Alpenglühen.
Was der Berg wegen des schroffen Abhanges nicht zu halten
vermag, oder was die Stürme herabwehen, das füllt die nahegelegenen
Thäler an, in denen daher der Schnee im Winter sich sehr anhäuft. In
milderen Thälern löst die Frühlingswärme diese Schneemassen auf, und
es finden sich dann dort die schönsten Alpenwiesen. In höher liegenden
Thälern aber kann der Sommer diese Massen nicht überwinden; der
Schnee bleibt nun immer liegen und bildet einen G letscher oder Firn..
Jeder Gletscher ist daher eine mit Schnee angefüllte Vertiefung. An der
Oberfläche, an den Seiten und vorzüglich im Grunde, wo das Eis die,
Luft und den Erdboden berührt, schmilzt es am stärksten; daher fließen
aus jedem Gletscher mächtige Büche hervor; diese unterwühlen die ganze
Masse und bilden zuweilen in sehr heißen Sommern da, wo ihnen der
Bach entströmt, die prächtigsten Eisgewölbe. Dieses beständige Unter
graben der Gletscher ist schuld, daß sie häufig zusammenbrechen. Mit
donnerähnlichem Getöse entstehen tiefe Spalten und Schlünde, die in
wenigen Stunden sich bilden und, wieder zusammengerückt, dem Wanderer
besonders dann sehr gefährlich werden, wenn frisch gefallener Schnee sie
bedeckt und eine trügerische Brücke über sie wirft. Diese Zertrümmerung
verändert beständig die Oberfläche der Gletscher; die meisten zeigen ein
wunderbares Gemisch von Eisklippen, Erhöhungen und Vertiefungen.
Aus den Eisspalten brechen bei plötzlicher Luftveränderung häufig eiskalte
Luftströme hervor, welche feine Eiskörner mit sich führen und wie Schnee
gestöber um sich her verbreiten; dies nennt man das Gletschergebläse..
Die Gletscher sind in einer fast beständigen Zunahme begriffen; sie nehmen
zu, sowohl an Dicke und Höhe, als an Ausdehnung, indem sie weiter in
die Thäler sich hinabsenken, bis sie einmal wieder in heißen Sommern
auf einige Zeit zurückgedrängt werden. Sie bedecken alle Bergabhänge
und Thäler der höheren Alpen; man zählt ihrer über 400; manche
darunter sind 6 bis 7 Stunden lang und V2 bis 3 k Stunden breit.
Sie werden nur dem unvorsichtigen Reisenden oder dem allzu kühnen
Jäger gefährlich.
Größer ist die Gefahr, welche vielen Einwohnern der Schweiz und
jedem im Hochgebirge Reisenden von den Lawinen droht. Damit be
zeichnet man Schnee- oder Eismassen, welche von den Hochgebirgen in
die Tiefe stürzen und oft sowohl durch unmittelbare Gewalt als durch
den Luftdruck große Verheerungen anrichten: Ströme verstopfen, Häuser
und Wälder fortreißen und Menschen und Tiere durch Ersticken töten.
Sie entstehen, wenn bei tiefem Schnee gelindere Witterung eintritt, so
daß derselbe locker wird und zum Zusammenballen sich eignet, was vor
züglich im Frühling der Fall ist. So wurden am 12. Dezember des
Jahres 1809 in den Bergbezirken der Schweiz, in Bern, Glarus, Uri,
Schwyz und Graubünden, in einer Nacht und fast in der nämlichen