Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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zum erstenmal in ihnen das Gefühl zu wecken, daß es eine große 
gemeinsame Sache gebe, die sie alle in gleicher Weise zu verteidigen 
hätten. Die Häupter der Cherusker, der Brukterer, Marsen und Chatten, 
und durch sie alle wehrhaften Männer dieser Stämme gewann Armin 
für den Freiheitsbund und verlockte dann den sorglosen Varus in das 
von Thalschluchten vielfach durchschnittene Waldgebirge am linken Ufer 
der Weser. Mit den Schrecken der Natur im Bunde, unter Sturmwetter 
und Regengüssen brach hier die germanische Wut auf das Römerheer ein. 
Drei Tage lang suchte es sich unter tausendfachen Qualen dem Verderben 
zu entwinden; drei Tage lang wurde es verfolgt, bekämpft und besiegt, 
bis sich Varus endlich voll Verzweiflung in sein Schwert stürzte und die 
Seinen sich entweder dem Sieger ergaben oder im Kampfe den Tod 
suchten. Ein Heer von gegen 50000 Mann war völlig vernichtet, und 
nur mit genauer Not schlug die Besatzung von Aliso sich zmn Rheine 
durch. Der Rhein war wieder die Grenze der Römerherrschaft. 
Blutig war die Rache der Germanen. In heiligen Hainen, die in 
der Nähe des Schlachtfeldes waren, opferten sie die Anführer und Haupt 
leute des überwundenen Heeres den Göttern. Am Galgen fanden viele 
der Kriegsgefangenen den Tod. Den römischen Sachwaltern wurden die 
Zungen aus dem Munde gerissen. Endlich, Natter, hast du aufgehört, 
zu zischen! sagte ein Germane, als er die blutige Zunge in seiner Hand 
hielt. Die Augen stach man den Gefangenen aus, hieb ihnen die Hände 
ab, und manche haben lange ein elendes Leben dahingeschleppt. Vor 
nehme Römer wurden als Knechte und Hirten auf die Höfe und Felder 
deutscher Männer gebracht. Selbst der Toten schonte die Wut der 
Sieger nicht. Die Leiche des Varus wurde mißhandelt, der Kopf ihr 
abgehauen und an Marbod, den Markomannenfürsten, als Siegeszeichen 
gesandt, zum stillen Vorwurf über seine teilnahmlose Unthätigkeit am 
Kampfe fürs Vaterland. 
Die Nachricht von dieser furchtbaren Niederlage trübte die Freuden 
feste, die Angustus für den mühevollen Sieg des Tiberius über die 
Pannonier anstellen ließ. So schlimm die Botschaft war, so fürchtete der 
alte Kaiser doch noch Schlimmeres. Im geängsteten Geiste stellte er sich 
vor, die vereinigten Deutschen, eine unwiderstehliche Macht, würden über 
den Rhein stürmen, Gallien, des großen Julius Eroberung, in ihre 
Gewalt bringen, dann über die Alpen brechen und Rom bedrohen; schon 
sah er die Herrschaft seinen Händen entfallen, das Werk seines Lebens 
zusammensinken. Er ließ Wachen bei Tag und Nacht Rom durchziehen, 
ordnete eine allgemeine Aushebung an, gelobte dem Jupiter Spiele und 
Opfer, wenn der Staat gerettet würde; wehklagend zerriß er seine Kleider, 
ließ Haar und Bart wachsen; wie einen Wahnsinnigen sah man ihn mit 
dem Kopfe gegen die Wand rennen und hörte von seinen Lippen den 
Schmerzensschrei: Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder! Der 
Tag der Unglücksschlacht blieb ein Schrecken seiner letzten Jahre. 
v. Giesebrecht. 
61. Deutscher Trost 
1. Deutsches Herz, verzage nicht! 
Thu, was dein Gewissen spricht, 
dieser Strahl des Himmelslichts: 
Thue recht und fürchte nichts. 
2. Baue nicht auf bunten Schein, 
Lug und Trug ist dir zu fein, 
Feinheit wird dir eitel Dunst. 
schlecht gerät dir List und Kunst,
	        
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