42
disches Wort oder drei, wenn man's recht betrachtet, und heißt auf deutsch
soviel als: „Ich kann euch nicht verstehen." Aber der gute Fremdling
glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das
muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan, dachte er und
ging weiter.
Gass' aus, Gass' ein kam er endlich an den Meerbusen, der da heißt:
Het Ey, oder ans deutsch: das Ipsilon. Da stand nun Schiff an Schiff
und Mastbanm an Mastbaum; und er wußte anfänglich nicht, wie er es
mit seinen zwei einzigen Angen dnrchfechten werde, alle diese Merkwürdig
keiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich ein großes Schiss
seine Aufmerksamkeit aus sich zog, das vor kurzem aus Ostindien ange
langt war und jetzt eben ausgeladen wurde. Schon standen ganze Reihen
von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander an: Lande. Noch immer
wurden mehrere herausgewälzt und Fässer voll Zucker und Kaffee, voll
Reis und Pfeffer. Als er aber lange zugesehen hatte, fragte er endlich
einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche
Mann heiße, dem das Meer alle diese Waren an das Land bringe.
„Kannitverstan!" war die Antwort. Da dachte er: „Haha, schaut's da
heraus? Kein Wunder! Wem das Meer solche Reichtümer an das Land
schwemmt, der hat gut solche Häuser in die JSelt stellen und solcherlei
Tnlipanen vor die Fenster in vergoldeten Scherben." Jetzt ging er
wieder zurück und stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst
an, was er für ein armer Teufel sei unter so vielen reichen Leuten in
der Welt.
Aber als er eben dachte: „Wenn ich's doch nur auch einmal so gut
bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan es hat!" kam er um eine Ecke
und erblickte einen großen Leichenzug. Vier schwarz vermummte Pferde
zogen einen ebenfalls schwarz überzogenen Leichenwagen langsam und
traurig, als ob sie wüßten, daß sie einen Toten zu seiner Ruhestätte
führten. Ein langer Zug von Freunden und Bekannten des Verstorbenen
folgte nach, Paar an Paar, verhüllt in schwarze Mäntel und stumm.
In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt ergriff unsern Fremd
ling ein wehmütiges Gefühl, das an keinem guten Menschen vorübergeht,
wenn er eine Leiche sieht, und er blieb mit dem Hut in den Händen
andächtig stehen, bis alles vorüber war. Doch machte er sich an den
letzten vom Zug, der eben in der Stille ausrechnete, was er an seiner
Baumwolle gewinnen konnte, wenn der Zentner um zehn Gulden auf-
schlüge, ergriff ihn sachte am Mantel und bat ihn treuherzig um Ent
schuldigung. „Das muß wohl auch ein guter Freund von euch gewesen
sein," sagte er, „dem das Glöcklein da läutet, daß ihr so betrübt und
nachdenklich mitgeht?" — „Kannitverstan!" war die Antwort. Da fielen
unserm guten Tuttlinger ein paar große Thränen ans den Augen, und
es ward ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. „Armer
Kannitverstan!" rief er aus, „was hast du nun von allem deinem Reich
tum? Was ich auch einst von meiner Armut bekomme: ein Totenkleid
und ein Leintuch, und von allen deinen schönen Blumen vielleicht einen
Rosmarin auf die kalte Brust oder eine Raute." Mit diesen Gedanken
begleitete er die Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah
den vermeinten Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine Ruhestätte und