Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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Herde auseinander. Den zweiten Winter verschläft er wie den ersten, 
und sollte ihm das nächste Frühjahr eine Überschwemmung bringen, so 
kann diese zwar seine Entwickelung aushalten, ihn aber nicht töten, wie 
die Erfahrung gelehrt hat. Nach abermaliger Häutung erlebt er den 
10. Juli, seinen dritten Geburtstag, nun wird aber sein Leben gefährdeter; 
denn nun weiß der Landmann, wenn er beim Umpflügen des Bodens die 
glänzenden, weißlichen Würmer mit dem bläulichen, kolbigen Hinterleibs 
ende herauswirft, daß er den „Engerling" in seinem Äcker hat. Die 
Krähe weiß es auch, wenn sie ehrsam hinter dem Pfluge drein wandelt 
und den fetten Bissen erfaßt, ehe er sich wieder unsichtbar machen kann. 
Jetzt findet ihn der Gärtner leicht und erkennt ihn als den Missethäter, 
wenn er eine vergilbte Pflanze erfaßt und dabei auch schon in der Hand 
fühlt; denn jener hat die Gewohnheit, die Wurzel von unten bis zum 
Wurzelstocke zu vertilgen, und da liegt er denn in der Regel, wenn dieser 
abgehoben wird. Mit seiner Größe wächst natürlich auch der Verbrauch 
der Nahrungsmittel, und man sollte kaum glauben, daß dieses Tier 
daumenstarke Fichtenwurzeln verspeisen könnte. Unter allerlei Anfechtungen, 
deren größte nächst dem Menschen von seiten des Maulwurfs dem Enger 
linge bereitet werden, wirkt er noch ein drittes Lebensjahr und hat endlich 
an seinem vierten Geburtstage seine volle Größe erreicht. Nun denkt er 
daran, sein eigenes Grab auszumauern. Mitte September begibt er sich 
sechzig, neunzig Centimeter, auch wohl einen Meter tief in den kühlen 
Schoß der Erde hinab, arbeitet eine bequeme Höhle aus und glättet ihre 
Wänoe säuberlich. Ist alles fertig, so legt er sich zurecht und schrumpft 
ein; endlich streift er unter Krümmen und Winden die im Nacken geborstene 
Haut, das letzte äußere Zeichen seiner Engerlingschaft, ab und wird zu 
einer anfangs weißlichen, allmählich sich rötlichgelb färbenden Puppe, die 
der Auferstehung entgegenharrt. Nach vier bis sechs Wochen, also etwa 
am 1. November, ist unser Engerling — ein Maikäfer, ein blasses, weiches 
Tier, das ruhig in seiner Wiege bis zum Februar liegen bleibt, nur 
nach und nach erhärtend und dunkler werdend. In diesem Monate beginnt 
die saure Arbeit des Emporkriechens. Von der Beschaffenheit des Bodens, 
vor allem aber von der Witterung wird es abhängen, wann er die 
oberste Schicht durchbricht. Taschenberg. 
43. Der Seidenspinner. 
Der Seidenspinner ist nicht sowohl wegen seiner Schönheit, als viel 
mehr wegen seines großen Nutzens einem jeden Menschen von ganz be 
sonderem Interesse. Er hat schmutzig- oder gelblichweiße Flügel, auf denen 
blaßbraune Streifen und ein mondförmiger, oft kaum sichtbarer Fleck sich 
befinden. Der äußere Rand der Vorderflügel ist ausgerandet. In China 
einheimisch, wurde er unter der Regierung Jnstinians nach Europa gebracht 
(551 n. Chr.), indem zwei Mönche die Eier desselben in ihren hohlen 
Stöcken aufbewahrten und die Raupen aus diesen Eiern glücklich aus- 
krochen. Das Weibchen legt einige Tage hintereinander 300 — 400 Eier, 
welche nicht viel größer als Mohnkörnchen sind und durch eine Wärme 
von l8—20 Grad in 4—8 Tagen ausgebrütet werden. Die kleinen 
Räupchen wachsen schnell und nähren sich von den Blättern des weißen 
Maulbeerbaumes. Nach 5 — 7 Tagen häuten sie sich zum ersten-, 5—7
	        
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