Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

vergeblich, es bleibt ihm nichts übrig, als beschämt von dannen zu ziehen. 
Freilich ist der Ausgang oft auch ein anderer, ein blutiger. 
Man hat berechnet, daß die Taube innerhalb zehn Minuten eine 
Strecke von drei Wegstunden durchfliegt, und dieser außerordentlichen 
Flugkraft wegen ist die Taube schon in den ältesten Zeiten zum Eilboten 
für gute und böse Kunde, vorzüglich zum Briefboten gemacht worden. 
Wie den Gatten, so pflegt die Taube auch ihre Jungen mit emsiger, 
zärtlicher Liebe; jedes Korn weicht sie ihnen im Kropfe auf, und verlassen 
die Jungen den Schlag zum ersten Male, so umflattert die Alte sie für 
sorgend von allen Seiten. Oft wird sie ein Opfer ihrer Liebe. Man 
kann nicht ohne inniges Mitleiden sehen, wie diese treuen Tiere bei 
Feuersbrünsten sich mitten durch die Glut- und Dampfwirbel schwingen 
und in verzweifelten Flügen das Taubenhaus umkreisen, bis endlich der 
Brand ihren Fittich ergreift und sie in die Flamme hinabstürzt. 
Masius. 
42. Maikäfers Leben. 
Das Weibchen des Maikäfers gräbt sich, wenn es seine Eier ablegen 
will, ein 10—20 Zentimeter tiefes Loch, am liebsten im lockern Kalk-, 
Mergel- oder Sandboden. Dahinein legt es 12 bis 30 gelbe Eier, geht 
auch wohl unter der Erde weiter und bereitet in geringen Entfernungen 
voneinander mehrere Brutstätten. 
Nach vier bis sechs Wochen durchbrechen die kleinen Larven die Eier 
schalen, der Engerling ist da. Begleiten wir einen auf seinem Lebenswege 
unter der Voraussetzung, daß ihm kein Unfall begegne und seiner Ent 
wickelung bis zum gepanzerten Käfer irgend welches Hindernis bereite. 
Um kurz bei den Zeitbestimmungen sein zu können, setzen wir beispiels 
weise seinen Geburtstag auf den 10. Juli fest. — Er ist klein, sehr klein, 
und da er größer werden will und soll, so verdenken wir ihm gar nicht, 
daß er nach den zarten Wurzeln seiner Umgebung ausschaut; hat er jetzt 
schon oder später einmal die Wahl, so hält er sich am liebsten an die des 
Salats, Kohles, Hanfes, Flachses, Getreides, der Erdbeeren, Bohnen 
u. s. w., und daß er die Kartoffel nicht schont, ist ebenfalls bekannt.^ Die 
scharfen Freßzangen an seinem hornigen Kopfe lassen ihn nie im Stiche. 
Endlich erscheint der unduldsame Winter. Der Frost desselben treibt ihn 
nach der Tiefe, und die allgemeine Erstarrung in der Natur teilt sich 
auch ihm mit; seine Lebensthätigkeit erschlafft, er krümmt sich noch mehr 
zusammen, als er für gewöhnlich zu thun pflegt, und hält seinen Winter 
schlaf. Wenn im Frühjahre neues Leben erwacht, so steht auch der 
Engerling auf und geht in gewohnter Weise seiner Nahrung nach, aber, wie 
sich erwarten läßt, mit doppelter Eßlnst, bleibt indes dabei immer schlank 
und dünn. Mitte Mai ungefähr gräbt er sich etwas tiefer unten eine 
Höhlung, sein Krankenlager, auf welchem er das ihm zu eng gewordene 
Kleid abstreift und mit einem weiteren, sonst dem ersten ganz gleichen 
vertauscht. Als Neugeborener kommt er dann der Oberfläche wieder näher 
und weidet mit doppelter und dreifacher Gier die Wurzeln ab, muß er 
doch die aufgewandten Kräfte wieder ersetzen. Bis zu seinem zweiten 
Geburtstage, dem l0. Juli, hielt er sich zu seinen Altersgenossen, so daß 
man ihn im ersten Jahre nesterweise auffindet; nun aber geht die kleine
	        
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