26
1. Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde
klingen Abendglocken dumpf und matt,
uns zu geben wunderbare Kunde
von der schönen, alten Wunderstadt.
2. In der Fluten Schoß hinab gesunken^
blieben unten ihre Trümmer stehn.
Ihre Zinnen lassen goldne Funken
widerscheinend auf dem Spiegel sehn.
3. Und der Schiffer, der den Zauberschimmer
einmal sah im Hellen Abendrot,
nach derselben Stelle schifft er immer,
ob auch rings umher die Klippe droht.
1. Hast du das Schloss gesehen,
das hohe Schloss am Meer?
Golden und rosig wehen
die Wolken drüber her.
2. Es möchte sich niederneigen
in die spiegelklare Flut;
es möchte streben und steigen
in der Abendwolken Glut.
3. „Wohl hab’ ich es gesehen,
das hohe Schloss am Meer,
und den Mond darüber stehen
und Nebel weit umher.“
4. Der Wind und des Meeres Wallen,
gaben sie frischen Klang ?
Vernahmst du aus hohen Hallen
Saiten und Festgesang?
Die Winde, die Wogen alle
lagen in tiefer Ruh’;
einem Klagelied aus der Halle
hört’ ich mit Thränen zu.“
6. Sahest du oben gehen
den König und sein Gemahl?
Der roten Mäntel Wehen,
der goldnen Kronen Strahl ?
7. Führten sie nicht mit Wonne
eine schöne Jungfrau dar,
herrlich wie eine Sonne,
strahlend im goldnen Haar?
8. „Wohl sah ich die Eltern beide,
ohne der Kronen Licht,
im schwarzen Trauerkleide;
die Jungfrau sah ich nicht.“
Uhland.
31. Das Schloss am Meer.
5.
32. Das Meer.
1. Seefahrten.
Wer auf einem Schiffe den Hafen einer Seestadt verläßt und
ins Meer steuert, der sieht zwar zu Anfang noch die Küste mit ihren
Bäumen, Häusern und Kirchtürmen, aber gar bald ändert sich der An
blick sehr. Das Land mit all seinen Städten und Dörfern, mit all seinen
Wäldern und Bergen sieht nur noch aus wie ein grauer Nebel oder wie
eine blaue Wolke. Zuletzt verschwindet es ganz, und man erblickt nun,
so weit das Auge reicht, nichts als Himmel und Wasser. Der Schiffer
nennt das die offene See.
Das dunkelblaue Meer ist nicht bloß so weit, daß man sein Ende
nicht sehen kann, sondern es ist auch so tief, daß man an vielen Stellen
noch gar keinen Grund gefunden hat. An andern Stellen, wo man die
Tiefe des Meeres gemessen hat, könnte man die höchsten Türme zehnmal
aufeinander setzen, und doch würden sie nicht viel über das Wasser
hervorragen.
Nimmt man Meerwasser in den Mund, so schmeckt es salzig und