Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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in der Stadt, daß man es zu den gewöhnlichsten Dingen gebrauchte 
und die Kinder auf den Straßen mit harten Thalern spielten... Durch 
ihren Reichtum verfielen aber die Bewohner von Vineta in Üppigkeit 
und freventlichen Übermut. Dafür traf sie denn der gerechte Zorn 
Gottes, und die schwelgerische Stadt wurde urplötzlich von dem Ungestüm 
des Meeres zu Grunde gerichtet und von den Wellen verschlungen. 
Darauf kamen die Schweden von Gotland her mit vielen Schiffen und 
holten fort, was sie von den Reichtümern der Stadt aus dem Meere 
herausfischen konnten; sie bargen eine Menge von Gold, Silber, Erz 
und Zinn und von dem herrlichsten Marmor Auch die ehernen Stadt 
thore fanden sie ganz; die nahmen sie mit nach Wisby auf Gotland, 
wohin sich auch von nun an der Handel Vinetas zog. 
Die Stelle, wo die Stadt gestanden hat, kann man noch heutigen 
Tages sehen. Wenn man nämlich von Wolgast über die Peene nach 
Usedom fährt, so erblickt man dem Dorfe Damerow gegenüber, 15 Kilo 
meter von Wolgast, bei stiller See bis tief, wohl zwei Kilometer in das 
Wasser hinein eine Menge großer Steine, marmorner Säulen und Fun 
damente. Das sind Vinetas Trümmer; sie liegen in der Länge von 
Morgen nach Abend. Die ehemaligen Straßen und Gassen sind mit 
kleinen Kieselsteinen ausgelegt; größere Steine zeigen an, wo die Ecken 
der Straßen und die Fundamente der Häuser gewesen sind. Einige davon 
ragen ellenlang aus dem Wasser hervor; dort haben die Tempel und Rat 
häuser gestanden- Andere liegen noch ganz in der Ordnung, wie man 
Grundsteine zn legen pflegt, so daß augenscheinlich noch neue Häuser haben 
erbaut werden sollen, als die Stadt vom Wasser verschlungen worden ist. 
In der versunkenen Stadt ist noch immer ein wundersames Leben. 
Bei stillem Wasser sieht man oft unten in den Trümmern ganz wunderbare 
Bilder. Große, seltsame Gestalten in langen, faltigen Kleidern wandeln 
dann in den Straßen auf und ab; oft sitzen sie auch in goldenen Wagen 
oder auf großen, schwarzen Pferden. Manchmal gehen sie fröhlich und 
geschäftig einher; manchmal bewegen sie sich in langsamen Trauerzügen, 
und man sieht dann, wie sie einen Sarg zum Grabe geleiten. Die 
silbernen Glocken der Stadt kann man noch jeden Abend bei ruhiger See 
hören, wie sie tief unter den Wellen die Vesper läuten, und am Oster 
morgen — denn vom stillen Freitag bis zum Ostermorgen soll der Unter 
gang von Vineta gedauert haben — kann man die ganze Stadt sehen, 
wie sie früher gewesen ist. Sie steigt..dann, ein warnendes Schattenbild, 
zur Strafe für ihre Abgötterei und Üppigkeit, mit allen ihren Häusern, 
Kirchen, Thoren, Brücken und Trümmern aus dem Wasser hervor, und 
man sieht sie deutlich über den Wellen. Wenn es aber Nacht oder stür 
misches Wetter ist, dann darf kein Schiff sich den Trümmern nahen; ohne 
Gnade wird es an die Felsen geworfen, an denen es hilflos zerschellt, 
und keiner, der darin gewesen, kann aus den Wellen sein Leben erretten. 
Von dem in der Nähe liegenden Dorfe Ledin führt noch jetzt ein alter 
Weg zu den Trümmern, den die Leute in Ledin von alten Zeiten Her 
den Landweg nach Vineta nennen. 
Von den Trümmern der versunkenen Stadt, die der Volksglaube auch 
im Meeresschoße noch in alter Herrlichkeit träumt, singt Wilhelm Müller 
folgende Verse:
	        
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